Der Hype wird Hyper! Scooter-NFT: Wie sinnvoll künstliche Knappheit wirklich ist

NFT sind der Hit. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn immer mehr Musiker veröffentlichen ihre Werke als Non-fungible Tokens (NFT) als rares Gut auf der Ethereum-Blockchain. Nun will auch Scooter auf der NFT-Welle mitreiten. Doch wie sinnvoll ist das Modell der künstlichen Verknappung?

David Scheider
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Scooter, NFT

Beitragsbild: Philip Nuernberger

Die Happy-Hardcore-Künstler Scooter rund um ihren exaltierten Frontman H.P. Baxxter veröffentlichen am 16. April mit “God Save the Rave” ihr zwanzigstes Studioalbum – und setzen dabei voll auf digitale Knappheit. So startet bereits vorab, genauer gesagt am kommenden Freitag, dem 9. April, der Abverkauf von exklusiven Fanartikeln auf opensea.io. Man ahnt es, bei den digitalen Kunstwerken, die dort feilgeboten werden, handelt es sich um NFT. So will die Band in Zusammenarbeit mit dem Berliner Start-up twlvxtwlv NFT-Kunst mit Scooter-Bezug versteigern. Eines der ab dem 9. April zum Verkauf stehenden Werke lehnt sich etwa an Da Vincis Abendmahl an; im Zentrum steht natürlich nicht Jesus, sondern – wie könnte es anders sein – H.P. Baxxter.

Neben den digitalen Kunstwerken, die freilich Geschmackssache sind, versteigert twlvxtwlv ferner Sondereditionen des Scooter-Albums mit animierten Covern. Größter Posten der opensea-Auktion ist ein  Lifetime Ticket für Auftritte der Band. Ziel der exklusiven Album-Artworks ist es, das Gefühl zurückzubringen, ein rares Stück Kunst sein Eigen nennen zu können. Was für Vinyl die Albumcover sind, könnte im digitalen Zeitalter NFT-Kunst sein.

Wir wären nicht Scooter, wenn wir nicht immer mal wieder etwas Neues ausprobiert hätten. Für uns ist es ein spannender Schritt, das 20. Scooter-Album jetzt auch als NFT zu veröffentlichen. Ich bin mir sicher, dass sich unsere Fans über eine neue Möglichkeit freuen, mit uns und unserer Musik zu interagieren und echte Sammlerstücke ersteigern zu können. Mit unseren NFT bekommen sie etwas uniques, was sonst niemand anderes bekommt.

H.P. Baxxter

Man will mittels NFT also das Prinzip der Knappheit in den digitalen Raum zurückbringen. Doch kann das funktionieren?

Knappheit als Basis für Eigentumsrechte …

Knappheit ist der natürliche Zustand der Welt. Wir leben nicht im Garten Eden: Die Verfügbarkeit von Rohstoffen, Gütern, Arbeit und Produktionsmitteln ist natürlicherweise eingeschränkt. Eigentumsrechte bauen auf diesem Zustand auf: Wir brauchen einen fairen Mechanismus, um darüber zu bestimmen, wer über knappe Ressourcen verfügen darf. Anders gesagt: Das Prinzip des Privateigentums soll vor Konflikten um knappe Güter schützen.

Fraglich ist aber, wie sich dieses logische und sinnvolle Prinzip in den digitalen Raum übertragen lässt. Fakt ist, dass die Möglichkeit der unbegrenzten Vervielfältigung den Grundsatz der Knappheit der Güter umkehrt. Im digitalen Raum sind Güter, in diesem Fall Daten, kopierbar. In anderen Worten, sie sind eben fundamental nicht mehr knapp, sondern schlicht omnipräsent.

Das steht übrigens auch im Gegensatz zu Bitcoin. Denn Bitcoins digitale Knappheit bleibt eben auch im digitalen Raum, da bei BTC kein Off-Chain Asset wie ein Kunstwerk repräsentiert wird. Zudem kontrolliert und erzwingt ein mächtiger Sozialvertrag Bitcoins absolute, digitale Knappheit; dieser Aspekt fehlt bei NFT. Was hindert den Künstler daran, einfach immer mehr NFT desselben Kunstwerks zu minten? NFT sind im Gegensatz zu BTC eben nicht “trustless”.

… und Begehrlichkeiten

Kunstschaffende stellt das vor eine schwierige Aufgabe, deren Lösung mit den NFT gekommen zu sein scheint. Die Idee ist wie folgt: Anstatt Kunstwerke unendlich replizierbar zu machen, erschafft der Künstler Werke, die einzigartig sind. Im Fall von Scooter sind die Porträts von Frontman Baxxter mit Signature Shouts wie “Hyper, Hyper” unterlegt und damit nicht so einfach zu vervielfältigen.

Im Kern steht die Idee, eine Begehrlichkeit unter Fans zu wecken, etwas zu besitzen, von dem es nur eine begrenzte Anzahl gibt. Die Blockchain machts möglich.

Dass gerade Ethereum von dem Hype um NFT profitiert, davon ist auch H.P. Baxxter überzeugt. Gegenüber BTC-ECHO sagte der Frontman des erfolgreichsten deutschen Techno-Acts:

Ich bin ja kein Kunstexperte, aber ich glaube schon, dass NFT zum einen der Kryptowährung Ethereum weiteren Auftrieb in Richtung Mainstream verleihen werden. Aber auch für Galerien, Künstler und Musiker wird es spannend sein, erstmalig Originale zu versteigern / erwerben.

H.P. Baxxter im Interview mit BTC-ECHO.

Ob sich das System NFT durchsetzen kann, ist dennoch fraglich. Denn das Argument, dass ein Original immer wertvoller ist, als eine Kopie (einen Van-Gogh-Print gibt es bereits für wenige Euro während das Original Millionen kostet), zieht nur, wenn ein wirklich erkennbarer qualitativer Unterschied zwischen Original und Kopie besteht. Im digitalen Raum ist das kaum zu leisten. NFT sind .jpegs, .mp3s oder andere digitale Dateien, die sich absolut Deckungsgleich kopieren lassen. Eine Kopie eines NFT-Artworks ist zu 100 Prozent die gleiche Datei, wie das Original. Im Gegensatz zum originalen Ölbild hatte der Meister eben nicht die Originalpinsel über die Originalleinwand geschwungen, sodass ein qualitativer Unterschied zu erkennen ist.

Der digitale Raum ist fundamental nicht-knapp

NFT sind der Versuch, das Prinzip der Knappheit ins digitale Zeitalter zu übertragen. Aber steht das nicht im diametralen Gegensatz zu den Verheißungen des Internet-Zeitalters? Das Großartige am Internet ist doch gerade, dass alle Zugriff auf das Wissen und die Kreativität der Menschheit haben. Um etwa einen Harvard-Kurs zu absolvieren, muss man nicht mehr sechsstellige Schulden aufnehmen und nach Boston ziehen, sondern kann den Erläuterungen der Professorin bequem von zu Hause folgen und zahlt dafür keine 100 Euro – einen Schein erhält man dafür zwar nicht, aber eben das vermittelte Wissen.

Doch das digitale Zeitalter hat auch seine Schattenseiten. Denn auf der anderen Seite müssen sich Kunstschaffende mit neuen Methoden der Monetarisierung auseinandersetzen. Ein Problem, dem sich besonders die Musikbranche seit Jahrzehnten stellen muss – Stichwort: illegale Tauschbörsen. Der Verkauf von knapp produzierten Schallplatten hat damals funktioniert, heute wird es schwer, mit der Veräußerung von Musik überhaupt noch etwas zu verdienen. Der Verkauf von Fan-Artikeln per NFT könnte da durchaus Abhilfe schaffen. Diese Chance sieht auch H.P. Baxxter:

Ich hätte schon Lust, mir das Artwork auf einem großen Display in mein Kaminzimmer zu hängen. Das Berliner Start-up twlvxtwlv hat unsere Album-Artworks in limitierte Sammlerstücke verwandelt und gibt der neuen Generation von Musikfans die Möglichkeit, auf diesen Zug aufzuspringen.

H.P. Baxxter

Wie nachhaltig der Hype um NFT wirklich ist, ist trotzdem fraglich. Zuletzt erzielte der Künstler Beeple mit dem Verkauf seines digitalen Kunstwerks “Everydays: The First 5000 Days” die Rekordsumme von 69 Millionen US-Dollar und wurde damit mit einem Schlag zu einem der erfolgreichsten Künstler der Gegenwart.

Zu Recht fragt man sich aber, was diesen Preis rechtfertigt. Das NFT-Bild wurde als .jpeg verkauft und ist eine Collage aus digitalen Zeichnungen, die in hoher Auflösung für Lau auf tumblr zur Verfügung gestellt werden. Natürlich besitzt man nicht die Eigentums- und Vermarktungsrechte an dem Bild, wenn man sich ein .jpeg herunterlädt. Aber muss es in der Kunst wirklich um Besitz gehen?

Natürlich kann man sich für den einzelnen Künstler freuen, wenn er oder sie einen Millionendeal erzielt und so für die Arbeit entlohnt wird. Wie Hyper der Hype um NFT wird, ist dennoch offen. Auch in der neuesten Ausgabe des Kryptokompass steht das Thema NFT im Vordergrund. Sollte die Käuferseite aber irgendwann herausfinden, dass ihr NFT eben doch kein Unikat ist, könnte die Blase genauso schnell platzen, wie sie entstanden ist.

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