Dass Bitcoin mit 125.000 US-Dollar im Oktober wieder ein neues Allzeithoch erreicht hat, ist keine große Überraschung. Denn es bewegt sich noch im relativen Rahmen des rational Erklärbaren. Weitere große Kurssprünge mit Verhundertfachung oder Vertausendfachung des Preises in realer Kaufkraft, wie aus der Vergangenheit des Bitcoins bekannt, erscheinen aber für die Zukunft extrem unwahrscheinlich. Warum ist das so?
Bitcoin unter den größten Vermögenswerten der Welt
Die gesamte Marktkapitalisierung von Bitcoin beträgt derzeit umgerechnet 2,5 Billionen US-Dollar. Damit rangiert Bitcoin bereits vor dem Wert von Silber mit 2,2 Billionen und Amazon mit 2,4 Billionen US-Dollar auf Platz 5 der größten Vermögenswerte weltweit. Höher als der Bitcoin liegen nur noch die amerikanischen IT-Riesen Apple mit 3,8 Billionen, Microsoft mit 3,9 Billionen, Nvidia mit 4,7 Billionen US-Dollar Marktkapitalisierung und mit weitem Abstand an der Spitze Gold mit 26,8 Billionen US-Dollar Marktkapitalisierung. Aus diesen, relativen Kräfteverhältnis geht schon hervor, dass Bitcoin sich kaum weiter als noch Verzehnfachen könnte. Denn wo sollte er dann stehen – an erster Stelle vor allen Vermögenswerten der Welt, deutlich höher bewertet als Gold?
Warum der Vergleich mit Währungen entscheidend ist
Die zitierte Liste der Top 10 Vermögenswerte weltweit allein reicht aber noch nicht, um den Bitcoin qualitativ und quantitativ anhand seines Marktwertes in einem rationalen Vergleichsrahmen bewerten zu können. Denn diese Liste enthält keine Währungen wie US-Dollar oder Euro. Und Bitcoin wird als sogenannte Kryptowährung ausschließlich als Währung bzw. Tauschmittel genutzt. Das gilt ebenso für andere Währungen wie den Euro oder den US-Dollar.
Auch, wenn der Bitcoin neben seinen Einsatz als internationales Zahlungsmittel für größere Beträge eher abgeleitet aus seiner erhofften oder tatsächlichen Tauschmittelfunktion als Wertspeicher bzw. Wertaufbewahrungsmittel und als Spekulationsobjekt benutzt wird und kaum für alltägliche kleinere Zahlungen, bleibt er wie andere Währungen ebenfalls faktisch rein auf die Tauschmittelfunktion beschränkt. Was kommt also heraus, wenn man den Bitcoin nicht einfach als Teil der 10 größten Assets betrachtet und mit diesen vergleicht, sondern als Teil der 10 größten Währungen weltweit?
Bitcoin im Ranking der globalen Geldmengen
Tatsächlich schafft es der Bitcoin nach Marktkapitalisierung sogar unter die größten Währungen weltweit. Das ist beachtlich. Denn große Währungen, wie der US-Dollar in den USA oder der Euro in der Europäischen Union, haben viel höhere Marktkapitalisierungen als einfach nur die größten Assets. Das ist logisch, denn gegen sie werden ja sämtliche realen Assets, Anlage- und Konsumgüter und auch Dienstleistungen in ihren jeweiligen Währungsräumen gehandelt, also nicht nur die größten Assets, sondern alle. Und sogar Assets, Güter und Dienstleistungen darüber hinaus international werden in diesen Währungen gehandelt, sofern sie wie vor allem der US-Dollar auch als internationale Reservewährung und Handelswährung genutzt werden. Darum sind solche Währungen verhältnismäßig auch wertvoller. Der Wert der Währungen, in denen die Güter gehandelt werden, ist sozusagen spiegelbildlich zum Wert der Güter zu betrachten. Je mehr Güter in einer bestimmten Währung gehandelt werden, desto höher auch ihr Wert.
So ist es verständlich, dass – gefolgt von Gold mit 26,8 Billionen US-Dollar Marktkapitalisierung – die Marktkapitalisierungen bzw. der Marktwert der Geldmengen M1 von US-Dollar mit 18,9 Billionen, des Chinesischen Yuan mit 15,2 Billionen oder des Euros mit 10,9 Billionen – alle umgerechnet in US-Dollar – viel höher liegen, als die 10 größten Assets, die keine Zahlungsmittel darstellen, sondern Aktien von Firmen und mit Silber ein weitgehend demonetarisiertes Edelmetall mit hauptsächlicher Verwendung in der Industrie ohne noch weit verbreitete Geldfunktion. Danach auf Platz 4 der größten Währungen kommt schon Bitcoin mit 2,5 Billionen US-Dollar Marktkapitalisierung, gefolgt vom Britischen Pfund mit umgerechnet 2,2 Billionen US-Dollar Marktkapitalisierung auf Platz 5.
Gold, Dollar und Bitcoin: Ein Dreikampf der Geldarten
Die zweitgrößte Kryptowährung Ether mit nur 0,5 Billionen US-Dollar Marktwert schafft es übrigens noch nicht unter den 10 größten Assets und auch nicht unter die 10 größten Währungen weltweit. Die Geldmenge M1 einer staatlichen Währung umfasst das gesamte Zentralbankgeld, Bargeld und Zentralbankguthaben sowie die sofort verfügbaren Bankeinlagen bzw. Kontoguthaben bei Banken – also das Geld, das direkt für Zahlungen genutzt werden kann. Sie dient als Maß für die Liquidität einer Währung und eignet sich daher am besten dafür, deren tatsächliche Marktkapitalisierung zu beschreiben.
Wenn es stimmt, dass sich Bitcoin als Marktführer unter den Kryptowährungen international neben Gold (derzeit 26,8 Billionen US-Dollar) und US-Dollar (derzeit Geldmenge M1 gleich 18,9 Billionen US-Dollar) als internationale Reservewährung etabliert, dann könnte der Bitcoin eine ähnliche Marktkapitalisierung wie diese beiden erreichen. In diesem Fall wäre maximal noch eine Verzehnfachung des Wertes von Bitcoin möglich. Bitcoin als Marktführer unter den Kryptowährungen würde dann etwa gleichziehen mit dem US-Dollar als führender staatlicher Währung und Gold als führendem Sachgeld.
Dafür, dass alle drei Währungen – US-Dollar, Gold und Bitcoin – in ihrem Bereich jeweils als Marktführer in einer Art gegenseitigen Co-Existenz gleichauf existieren werden, spricht, dass sie als Geldarten bestimmte Vor- und Nachteile haben, die sie sich gegeneinander nicht wettmachen können.
Bitcoin als globales Reservegeld
- Bei staatlichem Geld wie US-Dollar kann die Geldmenge aktiv gemanaged werden und man hat außerdem die Garantie des gesetzlichen Zahlungsmittels, wodurch Wertschwankungen ausgeglichen und Akzeptanz und Sicherheit geschaffen werden können. Bei Bitcoin und Gold kann man die Geldmenge nicht aktiv steuern.
- Allerdings können staatliche Währungen auch in ihrer Geldmenge infationiert oder für politische Zwecke genutzt werden, sodass sie kontinuierlich an Kaufkraft verlieren.
- Bei Bitcoin und anderen Kryptowährungen ist die Geldmenge mathematisch durch seine Technik begrenzt, bei Gold und anderem Sachgeld durch die physischen Vorkommen. Dies kann zwar Wertstabilität auf Lange Sicht eher sicherstellen, aber es kann kurzfristig bei Schwankungen von Angebot- und Nachfrage auf dem Markt zu stärkeren Wertschwankungen kommen, da nicht wie bei stattlichen Währungen durch aktives Zentralbankmanagement über die Veränderung der Geldmenge eingegriffen werden kann.
- Gold ist zwar in seiner Menge begrenzt wie Bitcoin, aber es kann nicht wie Bitcoin oder auch staatliches Geld digital und somit kostengünstig international transferiert werden.
- Bitcoins können anders als staatliche Währungen zudem im Konfliktfall nicht wie Bankguthaben in staatlichem Geld eingefroren werden und auch im Ausland für die schnelle Bezahlung ohne weiten Transport gelagerte Goldbestände könnten bei Konflikten eingefroren werden, was Marktakteure, insbesondere auch Staaten in ihrer Souveränität einschränkt.
- Gold und anderes Sachgeld funktioniert anders als Kryptowährungen und in Form von Bankguthaben digitalisiertes staatliches Geld im Krisenfall völlig unabhängig von Internet und Stromversorgung. Das ist ein Argument, auch weiterhin am staatlichen Bargeld in Form von Scheinen und Münzen festzuhalten, für das dies ebenso gilt.
Staaten entdecken Bitcoin als neue Reserve neben Gold
Wegen seiner besonderen Vorteile gegenüber Gold, entscheiden sich auch immer mehr Zentralbanken bzw. Staaten neben Gold auch Bitcoin als Reserve zu halten, so z. B. die USA, China, Großbritannien, die Ukraine, Bhutan oder El Salvador. Auch diese Verquickung der drei Geldarten staatliche Währungen, Gold und Bitcoin spricht für deren weitere zukünftige Co-Existenz. Diese Co-Existenz und Fortetablierung aller dieser drei Geldarten haben wir bereits in einem Buchbeitrag zu „Kryptowährungen im Wettbewerb zu staatlichen Währungen und Gold“ im März 2018 vorausgesagt. Damals waren Kryptowährungen noch eine eher skeptisch beäugte Randnotiz und noch keine fest etablierte Größe im globalen Währungsmarkt und den Top-Assets und Top-Währungen weltweit. Ein Bitcoin entsprach damals mit rund zehntausend Dollar nur etwa einem Zehntel seines heutigen Marktwertes.
Der derzeitige Stand des Bitcoins ist also durchaus noch rational nachvollziehbar. Würde sich der Bitcoin ggf. noch ein letztes Mal verzehnfachen, dann wäre er vielleicht eines Tages etwa eine Million US-Dollar wert. Das würde bedeuten, dass die kleinste Einheit des Bitcoins, ein 100-Millionstel Bitcoin – genannt Satoshi – dann genau ein US-Cent wert wäre. Der Bitcoin stünde dann, was die Marktkapitalisierung betrifft, auf einer ähnlichen Ebene wie heute Gold mit 26,8 Billionen US-Dollar und die Geldmenge M1 des US-Dollars mit 18,9 Billionen.
Kurz gefasst: Bitcoin ist heute nicht nur eines der größten Assets, sondern auch eine der größten Währungen weltweit. Sein Wert ist aufgrund seiner Rolle als global genutztes digitales Reservegeld neben Gold und dem US-Dollar rational nachvollziehbar. Seine weitere Entwicklung bleibt spannend. Mehr als für Hoffnungen auf weitere Kurssteigerungen sollte man sich jedoch für die Fragen seiner tatsächlichen praktischen Nutzung als globale Reservewährung interessieren, wovon abhängen wird, ob der Bitcoin seinem Wert auch in Zukunft gerecht bleiben kann.
Über die Autoren
Dr. Robert Bosch ist Globaler Leiter des Bereichs Banking und Capital Market bei BearingPoint. Sein Anliegen bei BearingPoint als Management- und Technologie-Beratung ist es, Finanzinstitute dabei zu unterstützen, ihre Geschäftsmodelle durch Innovation zu verbessern.
Ralph Bärligea ist Koautor des Beitrags. Er ist als Business Advisor bei BearingPoint im Bereich Zahlungsverkehr tätig. Seine Schwerpunkte sind neben Blockchain-Technologie und digitalem Geld auch Datenschutz und Informationssicherheit sowie die Einhaltung der Regulatorik im Finanzwesen, etwa bei der Geldwäscheprävention.
Quellen
Marktkapitalisierungen aller Assets | companiesmarketcap

