Philosophiestunde “Inflation ist ein Übel” – wie die Humane Marktwirtschaft und Bitcoin zusammenpassen

Ob man Bitcoin gut findet oder nicht, kommt auf den Betrachtungswinkel an. Gerade für Anhänger:innen einer weniger bekannten Denkschule könnte BTC ein wichtiger Teil im Theoriegerüst sein: Die Rede ist von der Humanen Marktwirtschaft.

David Scheider
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Bitcoin

Beitragsbild: Shutterstock

Wie wäre es, in einer Welt zu leben, die auf Bitcoin aufbaut? Für so manchen Anhänger der österreichischen Schule der Nationalökonomie wäre es die Vollendung einer wirtschaftlichen Utopie. Eine Befreiung aus dem aus ihrer Sicht totalitären Anspruch der Zentralbanken und des Fiat-Zwangs. Zugegeben, das klingt extrem.

Man muss diese Einstellung zum staatlichen Geldgefüge nicht teilen, um anzuerkennen, dass Fiatgeld nicht der Wahrheit letzter Schluss sein muss. Auch andere wirtschaftspolitische Denkschulen setzen an der Bitcoin-Idee an und sehen in dem digitalen Gold durchaus Potenzial für eine bessere und gerechtere Welt. Eine dieser Denkschulen ist die Humane Marktwirtschaft. Dabei handelt es sich um eine Tradition, die sowohl auf der Sozialen Marktwirtschaft als auch dem Humanismus aufbaut und für ein ganzheitliches und nachhaltiges Wirtschaftsmodell wirbt.

Vertreter:innen dieser Denkschule sind der Meinung, dass das Ideal der sozialen Marktwirtschaft nicht mehr der richtige Kompass ist, um Volkswirtschaften durch anstehende Krisen wie den Klimawandel und soziale Ungleichheit zu navigieren. Ein Update muss her, voilà: Die Humane Marktwirtschaft war geboren.

In ihrer Struktur ist sie vermutlich am ehesten mit dem Ordoliberalismus in der Tradition der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler um Walter Eucken zu vergleichen. Anstatt Umverteilung und einem starken Eingriff des Staates fordert der Ordoliberalismus weitestgehend Freiheit für wirtschaftliche Akteure – natürlich in einem dafür vorgesehenen und staatlicherseits festgelegten Regelwerk. Nur so könne fairer ökonomischer Wettbewerb geschaffen sowie die politische Freiheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet werden.

Die vier Säulen der Humanen Marktwirtschaft

Die Humane Marktwirtschaft baut auf diesem Konzept auf, bringt aber neben der politisch gesetzten Rahmenordnung einige zusätzliche Prinzipien in die Gleichung ein. So baut die Humane Marktwirtschaft konkret auf vier Säulen auf: 1. Bildung, 2. Ordnungsrahmen, 3. Wertelandschaft und 4. Humanismus und Menschenbild.

Dass das Individuum im Zentrum der Betrachtung steht, verrät bereits die erste Säule. Denn für Theoretiker:innen der Humanen Marktwirtschaft ist klar: Bildung ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben. Der Staat sollte also weniger Ressourcen für den sozialen Ausgleich in die Hand nehmen, sondern mehr in Bildung investieren. So sei Selbstverwirklichung und wirtschaftliche Freiheit für alle möglich.

Beim Ordnungsrahmen bedient sich die Humane Marktwirtschaft klassischer Motiven des Ordoliberalismus nach Walter Eucken und Franz Böhm. Der Staat ermöglicht wirtschaftlichen Wettbewerb, greift darüber hinaus aber ein, wenn sich Mono- oder Oligopole bilden. In einer Humanen Marktwirtschaft genießen Menschen alle damit einhergehenden Chancen, müssen für ihre Handlungen aber auch haften.

Anders als im Ordoliberalismus steht der Humanen Marktwirtschaft indessen auf einem klaren ethischen Grundgerüst. So wirtschaften Akteure nicht im wertfreien Raum, sondern orientieren sich an Idealen wie Humanität, Eigenverantwortung und Solidarität. Auch die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens spielt in der Humanen Marktwirtschaft eine Schlüsselrolle. Anarcho-kapitalistische Vorstellungen, wie sie so mancher Bitcoiner vertritt, sind mit den Idealen der Humanen Marktwirtschaft also nicht deckungsgleich.

Die Namensgebung dieser theoretischen Wirtschaftsordnung ist der Humanismus. Für die Humane Marktwirtschaft steht der Mensch im Zentrum der Überlegung – mit all seiner Komplexität. Den Homo oeconomicus als Grundannahme der Volkswirtschaftslehre lehnt die Humane Marktwirtschaft ab; am Ende steht die Frage: Wie kann der modernen industrialisierten Wirtschaft eine funktionsfähige und menschenwürdige Ordnung gegeben werden?

Und was hat das mit Bitcoin zu tun?

Einer der Wortführer der Humanen Marktwirtschaft ist Maximilian Erlmeier, seines Zeichens unternehmerisch in der Brauwirtschaft tätig – und durchaus erfolgreich. Erlmeier hat mit dem Export der Biermarke Hofbräuhaus ein Vermögen gemacht. Für ihn ist klar: Die Soziale Marktwirtschaft ist gescheitert, es braucht ein Umdenken. 

Im Gespräch mit BTC-ECHO hebt Erlmeier auch die besondere Bedeutung von Bitcoin für eine faires und selbstbestimmtes Leben hervor. 

Bitcoin ist eine Möglichkeit, Wohlstand für viele zu schaffen. Ich glaube, dass Bitcoin dazu führt, dass viele Menschen ihre Finanzen künftig selbst in die Hand nehmen werden.

Maximilian Erlmeier gegenüber BTC-ECHO

Ohne Bitcoin keine echte Freiheit

Gerade der Freiheitsaspekt wiegt für Erlmeier schwer. Insbesondere am Aspekt der finanziellen Inklusion wird die Bedeutung eines dezentralen Geldes deutlich. Denn wer ein Bankkonto erhält und wer nicht, entscheiden privatwirtschaftlich getriebene Akteure wie Banken. Doch wie soll die Maxime der Sozialen Marktwirtschaft, “Wohlstand für alle”, möglich sein, wenn nicht einmal ein rudimentärer Zugang zum Finanzsystem besteht? Hier könne Bitcoin helfen, so Erleimer:

Heutzutage sind viele Lebensbereiche den Menschen aus der Hand genommen. Man ist abhängig, ob man ein Bankkonto oder einen Kredit bekommt.

Maximilian Erlmeier im Gespräch mit BTC-ECHO

“Inflation ist ein Übel”

Doch auch die Inflation ist den Theoretikerinnen und Theoretikern einer Humanen Marktwirtschaft ein Dorn im Auge. Wie soll Selbstbestimmung möglich sein, wenn die Menschen nicht einmal über das bestimmen können, was sie täglich nutzen, nämlich ihr Geld? Dass Bitcoiner keine Freundinnen und Freunde der Geldentwertung sind, dürfte aufmerksamen Leser:innen dieser Publikation bereits aufgefallen sein. Erlmeier ist es auch nicht.

“Inflation ist ein Übel, das es immer gegeben hat und immer geben wird.” Bereits vor tausenden von Jahren war es gang und gäbe, den Goldgehalt von Münzen sukzessive zu verringern, sagt Erlmeier.

“Das zeigt eben, dass derjenige, der das Monopol über die Geldschöpfung hat, mit diesem Privileg Sauereien begeht und die Sparer enteignet,” so der Unternehmer. Diese Feststellung könnte aktueller nicht sein: Erst kürzlich hat die EZB ihr Inflationsziel von “nahe, aber unter 2 Prozent” auf zwei Prozent angehoben.

Und hier kommt Bitcoin ins Spiel. Nicht nur für Vertreter:innen der humanen Marktwirtschaft ist BTC ein Vehikel, das die Geldmenge erstmals kontrollierbar macht. Da die Kryptowährung ein dezentrales Projekt ist, können alle Netzwerkteilnehmerinnen und -Teilnehmer die Einhaltung dieser Obergrenze kontrollieren. Niemand hat das Monopol über die Geldschöpfung – in der Menschheitsgeschichte ist BTC damit ein absolutes Novum.

Am Ende ist BTC aus Sicht der Humanen Marktwirtschaft zwar nur ein Baustein im wirtschaftlichen Gesamtgefüge – wohl aber ein entscheidender.

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