Kaum eine Kryptowährung polarisiert so stark wie XRP. Für die einen ist Ripple die Brücke zwischen Krypto und dem klassischen Finanzsystem, für die anderen ein zentralisiertes Relikt. Nach einem bewegten Jahr 2025 stellt sich nun die entscheidende Frage: Welche Prognose ist für XRP in 2026 realistisch? Wir haben Experten gefragt.
2025 war für Ripple vor allem ein Jahr der institutionellen Annäherung. Den wichtigsten Impuls lieferte der Start der Spot-XRP-ETFs in den USA. Seit dem Handelsbeginn am 13. November verzeichneten alle inzwischen fünf Produkte durchgehend Nettozuflüsse. Insgesamt flossen laut SoSoValue rund 1,07 Milliarden US-Dollar in die Fonds, ohne einen einzigen Tag mit Abflüssen. Damit entwickelten sich die XRP-ETFs stärker als vergleichbare Produkte auf Bitcoin, Ethereum und Solana.
Parallel dazu baute Ripple Labs sein Geschäft massiv aus. Allein im laufenden Jahr investierte das Unternehmen rund vier Milliarden US-Dollar und tätigte mehrere Übernahmen, darunter den Prime Broker Hidden Road, die Zahlungsplattform Rail und den Wallet-Anbieter Palisade. Hinzu kamen neue Partnerschaften im Zahlungsverkehr, Fortschritte bei CBDC- und Tokenisierungsprojekten sowie der Ausbau des Stablecoins RLUSD.
Regulatorisch brachte 2025 Entlastung: Der Rechtsstreit mit der US-Börsenaufsicht SEC wurde abgeschlossen. Der XRP-Kurs erreichte im Juli ein neues Allzeithoch, gab danach jedoch wieder nach. Aktuell notiert der Coin bei rund 1,93 US-Dollar und liegt damit im Jahresverlauf etwa 19 Prozent im Minus. Unterm Strich: XRP gewann 2025 an institutioneller Relevanz, blieb beim Preis aber hinter den hohen Erwartungen vieler Anleger zurück.
Bullishes Szenario 2026: Politik, Makro und ETFs als Preistreiber
Für Max Shannon, Senior Associate Research bei Bitwise, war XRP schon immer stark von äußeren Faktoren abhängig. Entsprechend sieht er auch das bullische Szenario weniger in technologischen Durchbrüchen als in politischen und makroökonomischen Entwicklungen.
“XRP hat historisch vor allem als Reaktion auf politische und regulatorische Entwicklungen gehandelt”, erklärt Shannon gegenüber BTC-ECHO. Sowohl erfolgreiche Schritte gegen die SEC als auch regulatorische Klarheit hätten den Kurs in der Vergangenheit bewegt, ebenso negative Signale.
Im positiven Fall sieht Bitwise den XRP-Preis bei rund 4,94 US-Dollar. Voraussetzung dafür sei ein konstruktives regulatorisches Umfeld, das ein bullisches Marktnarrativ stütze. Zusätzlich rechnet Bitwise mit makroökonomischem Rückenwind: “Erwartete Zinssenkungen, die Ernennung eines eher taubenhaften Fed-Vorsitzenden (…) sowie die mögliche Entstehung eines neuen Konjunkturzyklus” könnten Risikoanlagen wie Kryptowährungen begünstigen.
Auch Jonathan von CoinShares teilt gegenüber BTC-ECHO die Einschätzung, dass XRP 2026 vor allem vom Makroumfeld profitieren könnte. Sinkende Zinsen, lockerere finanzielle Bedingungen und ein schwächerer US-Dollar seien historisch ein fruchtbarer Boden für steigende Krypto-Preise.
Ein zusätzlicher Faktor: XRP-ETFs. “Da es in den USA inzwischen ETFs auf XRP gibt, könnten nennenswerte Zuflüsse in diese Produkte im Jahr 2026 eine überdurchschnittliche Wertentwicklung verstärken“, so Jonathan.
Voraussetzung dafür sei jedoch ein stabiles Marktumfeld ohne externe Schocks sowie eine anhaltende Nachfrage nach den ETF-Produkten.
Bearishes Szenario: Wenn Liquidität fehlt und Kapital weiterzieht
Beide Experten mahnen jedoch zur Vorsicht. Im negativen Szenario sieht Bitwise XRP bei nur noch rund 1,07 US-Dollar. Ein zentrales Risiko sei die zunehmende Fragmentierung des Marktes durch neue Anlageprodukte.
“Da wir davon ausgehen, dass 2026 mehr als 100 neue kryptobezogene ETFs auf den Markt kommen, könnte Kapital von etablierten Blue-Chip-ETFs abgezogen werden“,
warnt Shannon.
CoinShares verweist zusätzlich auf klassische makroökonomische Risiken. Bleibt die Inflation hoch und verzögern sich Zinssenkungen, gerät der Kryptomarkt erfahrungsgemäß unter Druck. Besonders gefährlich sei ein breiter Risk-Off-Move an den Aktienmärkten, etwa durch eine Abwicklung des KI-Trades.
“In solchen Phasen steigen die Korrelationen deutlich und Kryptowährungen werden mit nach unten gezogen”, so Jonathan. Hinzu kommen strukturelle Risiken, die XRP seit Jahren begleiten. CoinShares erinnert daran, dass ein erheblicher Teil des XRP-Angebots weiterhin von Ripple gehalten wird: “Ripple hat in der Vergangenheit erhebliche Mengen an XRP verkauft”, was bei schwacher Nachfrage zusätzlichen Verkaufsdruck erzeugen könne.
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