Zweifelhaftes Projekt G999 im Fokus: Wofür wirbt Sophia Thomalla da?

Das deutsche It-Girl Sophia Thomalla rührt seit Dezember die Werbetrommel für ein fragwürdiges Krypto-Projekt. Was – und wer – steckt hinter G999?

Christopher Klee
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Sophia Thomalla und Josip Heit

Beitragsbild: obs/GSB Gold Standard Banking Corporation AG

| Sophia Thomalla und Josip Heit

Wir schreiben das Jahr 2019, G999 hat noch nicht das Licht der Welt erblickt. Im Oktober verbietet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) der in Belize ansässigen Karatbit Foundation, die „Kryptowährung“ KaratGoldCoins (KBC) weiter in Deutschland anzubieten. Gleichzeitig ordnet die Behörde die Abwicklung der Foundation an: Investoren sollten ihr Geld zurückerhalten. Der Grund: Die BaFin stufte das Geschäft mit KGC, einem goldgedeckten Token, als E-Geld-Geschäft ein, für dessen Betrieb es hierzulande einer speziellen Lizenz bedarf.

Prolog: Karatbars-Chef Seiz meldet sich zurück

Die Karatbit Foundation ist Teil der Karatbars-Gruppe um den Unternehmer Harald Seiz. Dieser wollte sich mit der BaFin-Watsche seinerzeit nicht zufriedengeben und klagte gegen die Entscheidung, die bis heute nicht bestandskräftig ist. Mitte Dezember 2020 zeigte sich Seiz auf seinem Youtube-Kanal reumütig. In einer mit „Breaking News“ betitelten Ansprache machte er reinen Tisch, ohne dabei wirklich ins Detail zu gehen. Er habe nichts verbrochen, stattdessen hätten ehemalige Angestellte und Partner mit seinem Namen und Vertrauen Schindluder getrieben.

In der Vergangenheit gab es oft genug kleine Hinweise und Anzeichen dafür, was im Hintergrund vor sich ging. Die ihr zwar wahrgenommen, aber nicht wirklich registriert habt. Erst nach und nach wurde euch klar, dass sich etwas ändern musste. Ich musste erkennen, dass wir in manchen Dingen noch lange nicht perfekt waren. Unser ganzes Vertrauen, mein Vertrauen, wurde missbraucht. In meinem Namen und im Namen Karatbars-Familie wurden Dinge getan, von denen ich nichts wusste und die ich nicht gewollt hatte.

Deshalb habe er sich gewisser Altlasten entledigt:

Ich habe mich von denen getrennt, die behaupten, ein Teil der Führung zu sein, [obwohl] sie es nie waren. Und ich habe mich von denen getrennt, die einfach meine Ideen und Visionen gestohlen haben, sie für ihren eigenen Profit benutzt haben und die Entwicklungen und die Arbeit des gesamten Teams für persönlichen Profit zur Vertuschung unseriöser Geschäfte benutzt haben und noch benutzen.

So Seiz an späterer Stelle im Video, das er gleichzeitig dazu benutzt, um für ein neues Projekt mit dem Namen „V999“ Werbung zu machen.

G999: Karatbars 2.0?

Ob Josip Heit zu den erwähnten Altlasten gehört? Der ehemalige Chairman of the Board des Unternehmens Karatbars hat mit der Hamburger Firma GSB Gold Standard Banking Corporation AG, wo er ebenfalls als Chairman of the Board fungiert, im Dezember vergangenen Jahres ein Projekt lanciert, das zumindest namentlich eng an Seiz’ neuer Plattform liegt: G999. Ein aufwändig produzierter Werbespot, in dem die deutsche Influencerin Sophia Thomalla in Superheldinnen-Manier einen G999-Coin aus einem Gold-Nugget herausschlägt, flimmerte bereits über die Riesenleinwände am New Yorker Times Square.

Auf der Homepage macht G999 aus seinen Ambitionen keinen Hehl. Nichts Geringeres als „ein Peer-to-Peer-Electronic-Cash-System, das darauf abzielt, ein solides globales Geld mit schnellen Zahlungen, Mikrogebühren, einer neuen Generation von Kommunikation und hoher Transaktionskapazität“ will das G999-Projekt werden. In der jüngsten Pressemitteilung vom 6. Januar wird nicht weniger dick aufgetragen: „ein einzigartig elektronisches System, Kartenlesegerät und App, das für Telekommunikation und Messenger in einem, inspiriert vom deflationären Token-Wirtschaftsmodell, schnelle Zahlungen, Mikrogebühren und eine Vielzahl weiterer Optionen ermöglicht“ heißt es darin. Ein durchaus ambitioniertes Unterfangen.

Der G999-Token

Was auch immer die Plattform später leisten wird, im Mittelpunkt des Ökosystems steht der Coin G999. Wie bei KaratGoldCoins geht es auch bei G999 um die Verbindung von Krypto-Technologie mit dem Edelmetall Gold. Allerdings erscheint die Möglichkeit, G999 Token gegen Gold einzutauschen, im Whitepaper eher als Randnotiz, denn als zentraler Use Case.

die G999 Wallet kann verwendet werden, um Sprachnachrichten zu versenden, Textnachrichten, E-Mails, Zahlungen, passives Einkommen und auch für das Einlösen von physischem Gold über die Blockchain unserer Partner.

Bislang hängt das Projekt seiner Roadmap deutlich hinterher. Danach hätte beispielsweise bereits in Q1 2020 eine App für Sprach- und Textnachrichten erscheinen sollen. Dass die Roadmap nicht aktualisiert wurde, macht beim Blick auf das Alter der Domain des Projekts stutzig: Denn die Website wurde erst am 29. September 2020 angemeldet. Eines von zahlreichen Hinweisen, dass G999 ein Projekt ist, das näherer Betrachtung bedarf

Red Flags, wohin das Auge blickt

So wird weder auf der Homepage noch im Whitepaper des Projekts erklärt, welche Blockchain-Technologie zum Einsatz kommt. Es könnte sich um eine Dash Fork handeln, da man sich zumindest dessen Terminologie bediente – und bisweilen ganze Passagen von der Homepage der Dash DAO nahezu Wort für Wort übernahm:

So erklärt die Homepage von G999 die Funktion von Masternodes. Dash-Fans dürfte das bekannt vorkommen …
… schließlich wurde der Text offenbar nahezu 1 : 1 von der Dash-Website übernommen

Für das Einrichten einer Masternode müssen exakt 749.999 G999-Token hinterlegt werden. Das entspricht beim aktuellen Kurs von 0,00827 US-Dollar (Stand: 6. Januar) umgerechnet 6.540 US-Dollar, das dann für ein Jahr gesperrt ist. Nach Ablauf dieser Frist können die Coins in einem Zeitfenster von 10 Tagen abgehoben werden – ansonsten sind sie für ein weiteres Jahr gesperrt. Dass G999-Masternodes überdies nicht an der Governance beteiligt sind und kein Mitspracherecht über die Verteilung von Mitteln zur Förderung des Netzwerks haben, ist ebenfalls zu beachten.

„Staking“ bei G999 – Praktisch ist anders

Im Gegensatz zu Dash, dessen Staking Rewards variabel sind und unter anderem davon abhängen, wie viel Prozent aller Dash-Token gestaket sind, verspricht G999 den Masternode-Betreibern eine feste Rendite von 7,5 Prozent p.a. auf ihre Einlagen. Generell sollten Anleger bei solchen Versprechen in Verbindung mit dem Begriff „passives Einkommen“ vorsichtig sein.

Vorsicht ist auch beim Versenden der Coins geboten. Verschickt man den falschen Betrag, nämlich 749.999 G999 Coins, sind diese erst einmal weg.

Sie müssen sehr vorsichtig sein, wenn Sie regelmäßige Transaktionen über die G999-Blockchain durchführen, denn wenn Sie versehentlich den exakten Betrag von 749.999 G999 an eine Wallet senden, werden diese Coins automatisch für die nächsten 12 Monate gesperrt, und es wird eine Masternode-Wallet mit ihnen erstellt.

So lautet die Erklärung dazu auf Homepage des Projekts. Information darüber, wer denn besagte Masternode betreiben soll, werden nicht genannt. Dass es für „solides globales Geld“ in spe zudem wenig praktikabel ist, einzelne Beträge mit derartigen Restriktionen zu belegen, sollte keiner weiteren Erörterung bedürfen.

Indessen sollen nicht nur Masternode-Betreiber mit G999-Staking ein passives Einkommen generieren können. Auch Holder sollen ein Stück vom Kuchen abbekommen. Hier garantiert G999 ebenfalls eine jährliche Rendite, diesmal von 2,5 Prozent. Neben eine Einlage von 249.999 Token gesellt sich der Zwang, seine Wallet 24/7 geöffnet zu haben. Also nichts wie ran an Nachbars Stromleitung, dann kann das fröhliche Staking beginnen.

G999: Schnitzer auf Homepage lässt Karatbars-Vergangenheit durchscheinen

Wer auch immer den Erklärtext zum Staking (oder „Stacking“, wie es auf der Homepage heißt) von G999 geschrieben hat, scheint dabei einem Déjà-vu erlegen zu sein. Denn als Coin, den es zu Staken gilt, wird nicht etwa der – ansonsten auf Homepage und Whitepaper omnipräsente – G999-Token genannt, sondern ein gewisser GSC-Coin. Bei diesem handelt es sich um eine geplante aber letztlich nie vollzogene Hard Fork, die die beiden Karatbars-Token KBC und KCB vereinen sollte. Das geht aus den Folien einer Präsentation der Gold Standard Bank aus dem Dezember 2018 hervor, die BTC-ECHO vorliegt.

Da der GSC ansonsten keinerlei Erwähnung findet, deutet das auf einen Patzer vonseiten der G999-Projektleitung hin. Andernfalls ist diese Referenz auf ein Projekt, vor dem bereits nicht nur die Bafin, sondern auch die Finanzmarkthüter von Südafrika, Neuseeland, Namibia sowie den kanadischen Provinzen Quebec und British Columbia in mal mehr, mal weniger deutlichen Worten gewarnt haben, nur schwer zu erklären.

Fazit: G999 – Nein, nein, nein

G999 erinnert an ein Projekt aus der Hochphase des ICO Hypes: Viele Buzzwords, unrealistische Ziele ohne wirklichen Fokus und das Heilsversrpechen, beim nächsten großen Ding dabei zu sein – und dabei garantiert Rendite zu machen. Auch das von Fehlern durchzogene Englisch, das sich in Whitepaper und Homepage findet, vermittelt einen unprofessionellen Eindruck. Ein vermeintlich dezentrales Netzwerk, vermeintlich plagiierte Inhalte und ein fragwürdiges Whitepaper, runden den Gesamteindruck ab. Auch unter Missachtung der Vergangenheit von Josip Heit, die das Handelsblatt als „heikel“ bezeichnet, muss man – gelinde gesagt – durchaus risikoaffin sein, um sein Geld in G999 zu stecken.


Update (14.1.2021): In einer ursprünglichen Version dieses Artikels wurde Josip Heit irrtümlich als Vorstandsvorsitzender der Karatbars Gruppe bezeichnet. Tatsächlich war Heit Chairman of the Board bei dem Unternehmen Karatbars. Das geht aus einer Pressemitteilung der Gold Standard Banking Corporation AG vom 14. November 2019 hervor. Darin heißt es:

Josip Heit hat die Funktion als „Chairman of the board“ im Unternehmen „Karatbars“ und im Unternehmen „Goldstandard Banking Corporate Ag“ [sic]

Der Artikel wurde entsprechend angepasst.

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