Der Erfolg der dezentralen Perpetual Exchange Hyperliquid schlägt inzwischen hohe Wellen – und das nicht nur im Krypto-Sektor. Bloomberg berichtete kürzlich über den DeFi-Handelsplatz für Krypto-Derivate und nannte ihn einen “Major Player”. Aussagen einiger Analysten zufolge könnte Hyperliquid es bald nicht nur mit Binance, sondern dem gesamten TradFi-Handel aufnehmen. Wie Krypto-Anleger diesem Boom vorauseilen könnten.
“Dezentraler Nasdaq”
Galaxy-Digital-CEO Mike Novogratz dürfte in seinem Interview mit CNBC das Interesse einiger Krypto-neugierigen TradFi-Player geweckt haben. Hyperliquid sei ihm zufolge ein “dezentraler Nasdaq” mit “transparenten Gewinnen”. TradFi verstehe dieses Narrativ, so Novogratz, weil Hyperliquid mit seinem Token-Rückkaufprogramm Konzepte aus dem klassischen Aktienhandel in den Krypto-Sektor portiert und dabei seinen Cash-Flow aus dem laufenden Börsengeschäft nutzt.
Der HYPE-Token könnte also von vielen Fundamentals-fokussierten Anlegern aus der konservativeren Investment-Branche als Quasi-Krypto-Aktie gesehen werden, die lukrative Rendite-Aussichten birgt.
Zwar ist HYPE laut Bloomberg noch vor allem unter Kleinanlegern beliebt. Jedoch könnte sich das mit Blick auf entscheidende Metriken bald ändern.
DeFi – das bessere Geschäft?
Ein kürzlich auf X geteilter Chart erregte die Aufmerksamkeit vieler Aktien-Anleger. Zu sehen war eine Auflistung von Unternehmen nach Umsatzeffizienz. Gemessen am Umsatz pro Mitarbeiter lag OnlyFans, die Aboplattform für expliziten Content, auf Platz Eins – meilenweit vor Börsengiganten wie Nvidia, Apple oder Meta. Was traditionelle Anleger als Geschäftssensation feiern, wird durch die Krypto-Branche jedoch in den Schatten gestellt.
Denn wer den Space kennt, weiß: in Wahrheit nimmt der Stablecoin-Betreiber Tether den Thron in dieser Metrik ein. Und Hyperliquid liegt mit 23 Millionen US-Dollar derzeit nur knapp hinter OnlyFans. Rechnet man die Einnahmen der letzten 30 Tage auf das gesamte Jahr hoch, liegt die Handelsplattform sogar nur knapp hinter Tether – und das, obwohl sie keine drei Jahre alt ist und ohne Venture-Kapital startete.

Warum Hyperliquid gewinnt
“Hyperliquid vereint die Vorteile zentraler Börsen wie Binance und dezentraler Börsen wie Uniswap”, schreibt Bloomberg. Der Syncracy-Capital-Gründer Ryan Watkins ergänzt in seiner Bullenthese zu Hyperliquid: “Blockchain-basierte Börsen bieten strukturelle Vorteile in Bezug auf Prüfbarkeit, Effizienz, Sicherheit, Zusammensetzbarkeit und Zugänglichkeit.”
Was DeFi-Nutzer schon lange wissen, kommt jetzt erst an der Wall Street an: Statt ihr Vermögen in die Hände zentraler und intransparenter Anbieter zu legen, können Nutzer es selbst verwahren und rund um die Uhr über automatisierte Smart-Contracts auf globalen Märkten handeln.
Darüber hinaus könnte für TradFi-Anleger interessant sein, dass DEXes eine deutliche Kostensenkung gegenüber den Legacy-Lösungen ermöglicht. Darauf deutet sogar ein DeFi-Bericht des International Monetary Fund (IMF) aus 2022.

Die geringeren Handelsgebühren und operativen Kosten als Binance, gepaart mit der oben genannten Umsatzeffizienz und beispiellosen Nettomargen von 97 Prozent verleihen Hyperliquid einen Edge gegenüber seinen zentralisierten Gegenspielern. Auch Trader erkennen das zunehmend – wie Daten von Hypeflows belegen – und wechseln vermehrt zur dezentralen Lösung.

Gemessen am Open Interest erreicht Hyperliquid 21 Prozent der Marktanteile von Binance und fast 50 Prozent der von OKX. Aggregiert belaufen sich Hyperliquids Marktanteile im Perpetual-DEX-Sektor auf 13,5 Prozent. Trotz dessen hat Hyperliquid im Vergleich noch erhebliches Wachstumspotenzial und schielt bereits mit einem Auge über den Tellerrand.
Erst Binance, dann TradFi
Denn noch sind auf Hyperliquid ausschließlich Kryptos und Krypto-Derivate handelbar. Doch das könnte sich schon bald ändern.
“Da die Tokenisierung immer schneller voranschreitet, könnte Hyperliquid alle Vermögenswerte weltweit umfassen, einschließlich Währungen, Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Immobilien und sogar exotische Märkte wie Sportwetten und Prognosemärkte. Tatsächlich glauben wir, dass dies praktisch unvermeidlich ist”, so Ryan Watkins.
Den Grundstein dafür legt das kommende HIP-3-Update. Es soll jedem ermöglichen, HYPE zu staken und erlaubnisfreie Perpetual-Märkte zu starten. Mit anderen Worten: Nutzer und Unternehmen können eigene Assets, darunter tokenisierte Aktien, Anleihen und Co., erstellen und auf Hyperliquid handeln.
Sollte sich Hyperliquid zur beliebtesten, Blockchain-basierten Plattform für den Handel von Derivaten auf RWAs und Co. etablieren, rechnet Ryan Watkins mit einem Wachstumspotenzial von mehreren einhundert Milliarden US-Dollar. In der unten gezeigten Liste steht Hyperliquid mit aktuell rund 11 Milliarden US-Dollar-Marktkapitalisierung theoretisch bereits auf Platz 15.

DeFi an einem Ort
Mit dem Ausbau der Smart-Contract-Plattform HyperEVM könnte die Blockchain erst ihr volles Wachstumspotenzial entfalten – und Coinbase und Binance in Bedrängnis bringen.
“Was wäre, wenn man zwei der profitabelsten Geschäftsfelder der Kryptowirtschaft miteinander kombinieren würde: Börsen und Smart-Contract-Plattformen? Was wäre, wenn man beides über eine einzige Schnittstelle zugänglich machen würde? Das ist die Gelegenheit, die sich Hyperliquid eröffnet”, so Ryan Watkins über die HyperEVM.
Auch Coinbase und Binance haben demnach eigene Blockchains (Base und BNB-Chain) mit einem etablierten DeFi-Ökosystem, während Solana und Ethereum den Smart-Contract-Sektor dominieren. Doch ist Base bspw. kaum mit anderen Coinbase-Produkten wie dem Handelsplatz verknüpft. Uniswap bietet derweil eine breite Palette an Infrastruktur (Wallet, Interface und Co.), kämpft jedoch mit Ethereums technischer Komplexität.

HyperEVM Smart Contracts können direkt in die Börsenebene eingreifen und sehen so bspw. Kontostände der Nutzer, offene Positionen und Preise in Echtzeit. DeFi-Apps können so direkt auf das Orderbuch zugreifen. “Die hauseigene Börse von Hyperliquid dient sowohl als Anker als auch als Vertriebszentrum und verstärkt die Netzwerkeffekte”, so Ryan Watkins.
“Geld-Lego” im Hypermodus
Was schöpfen Anleger daraus? Besonders spannend ist dabei die Rolle des HYPE-Token, der – anders als viele andere Altcoins – multifunktional ist.
Halter profitieren von potenziellen Kursgewinnen oder staken ihn, um bspw. Rabatte auf Handelsgebühren zu bekommen oder um nach HIP-3 tokenisierte Assets zu erstellen. Darüber hinaus profitieren sie von den HYPE-Rückkäufen, die sich mit steigenden Einnahmen der Börse verstärken. HYPE wird außerdem benötigt, um Netzwerkgebühren auf der HyperEVM zu zahlen.
Die Kombination aus Börse und DeFi-Plattform ermöglicht jedoch weitere Finanzstrategien, die sich Nutzer zu eigen machen können und im TradFi-Sektor nur schwer zugänglich sind – oder die es schlichtweg nirgendwo anders gibt.
Ein Beispiel: Der Hyperliquid Provider Vault (HLP) ist ein dezentraler Liquiditätspool innerhalb von Hyperliquid, der es den Benutzern ermöglicht, Assets zu hinterlegen und gemeinsam Liquidität für den Handel bereitzustellen.
Die Teilnehmer verdienen an den Handelsgebühren und teilen sowohl Gewinne als auch Verluste aus Handelsaktivitäten. Diese passive Strategie verdiente Nutzern im vergangenen Monat 13 Prozent effektiven Jahreszins. Diese HLP-Position können Nutzer wiederum in Lending-dApps wie HyperLend als Sicherheit verwenden, um Kryptos oder Stablecoins auszuleihen und zu reinvestieren.

Strenge Blicke?
Die Vergangenheit zeigt, dass der Preis für diese Finanzinnovationen und teils lukrativen Strategien ein erhöhtes Risiko ist. Als der HLP-Vault vor wenigen Monaten Opfer einer Short-Squeeze-Attacke wurde, drohten Einzahlern große Verluste. Eine umstrittene Entscheidung der offenbar doch nicht vollständig dezentralisierten Projektführung rettete den Vault und seine Nutzer.
Die Abwesenheit einer Identitätsprüfung und die geringe Anzahl von Validatoren könnten die Aufmerksamkeit von Regulatoren auf sich ziehen. Beide bieten Hyperliquid eine gewisse Kostenersparnis und technische Flexibilität, die sie bislang von Coinbase und Binance abhebt.
Der regulierte Handel auf den zentralisierten Börsen ist für viele TradFi-Nutzer jedoch Voraussetzung. Ein weniger lukratives, aber sicheres Geschäft ist ihnen demnach lieber als ein potenziell illegales.
Alles in allem bewegt sich Hyperliquid vermutlich jedoch nicht außerhalb des aktuell für DeFi üblichen Rahmens und könnte bald von klareren Regeln aus den USA seitens der SEC und CFTC profitieren. Fällt diese tatsächlich milde für DeFi-Anwendungen aus, steht Hyperliquid auf dem Weg zur “Börse für alles” scheinbar wenig im Weg.
Quellen
- Mike Novogratz Interview
- Umsatzeffizienz führender Unternehmen
- Bloomberg-Artikel
- Hyperliquid-These von Syncracy Capital
- IMF-Bericht
- Hypeflows-Daten
- HIP-3