Von großen Blöcken, Bitcoin SV und einem dezentralen Internet – Interview mit Christoph Bergmann

Bitcoin SV ist in erster Linie durch Skandale um Chain Reorgs, Calvin Ayre und vor allem Craig Wright bekannt geworden. Ist das alles, was die Bitcoin-Variante mit großen Böcken zu bieten hat? In einem Interview mit Christoph Bergmann gehen wir der Fragestellung auf den Grund.

Dr. Philipp Giese
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Christoph Bergmann in einem Interview zu Bitcoin, Bitcoin SV und Skalierung

Beitragsbild: Christoph Bergmann

BTC-ECHO: Dich, Christoph, macht eine besondere Position im Bitcoin-Ökosystem aus. Man sieht dich auf Lightning Meetups ebenso wie auf Treffen der Bitcoin-Cash- und Bitcoin-SV-Szene. Wie wirst du diesbezüglich wahrgenommen?

Christoph Bergmann: Wie ich wahrgenommen werde, entscheide ja nicht ich. Schön wär’s.

Mein Eindruck ist aber: Viele Leute schätzen es, dass ich ehrlich bin und auch keine Angst vor Meinungen oder Ideen habe, die womöglich unbeliebt sind. Die meisten Bitcoiner sind weltoffen, sonst wären sie ja nicht in Bitcoin. Natürlich kann ich es nicht jedem recht machen, vor allem nicht manchen Bitcoin-Maximalisten. Und dass ich mich derzeit sehr für Bitcoin SV begeistere, wird meiner Reputation vermutlich eher schaden als nützen.

Aber ich bin als Journalist immer dahin gegangen, wo ich es interessant fand anstatt es als meine Aufgabe zu sehen, Leute in dem zu bestätigen, was sie sowieso schon meinen. Das hat bisher gut funktioniert, und ich hoffe, es funktioniert auch weiterhin.

BTC-ECHO: Was viele nicht wissen: Du hast mit Metahandle jüngst ein Bitcoin-SV-basiertes Projekt gestartet. Bei diesem geht es darum, Informationen auf der Bitcoin-SV-Blockchain für Menschen lesbarer zu gestalten. Willst du dein Projekt etwas vorstellen?

Christoph Bergmann: Metahandle ist eher mein persönliches Science-Projekt. Ich weiß nicht, ob es für jemanden, der nicht „in Bitcoin SV drin“ ist, übermäßig spannend ist. Für mich ist es eine Gelegenheit, etwas zu bauen, das es noch nicht gibt.

Ich finde Bitcoin SV derzeit toll. Um es klarzustellen: Natürlich ist Bitcoin weiterhin Bitcoin (BTC), und natürlich ist Bitcoin SV nicht der einzige Bitcoin. Ich meine, schaut euch den Preis an, das Handelsvolumen, die hin- und hergeschickten Werte oder die Hash Rate: Es steht gar nicht in Frage, welches der echte Bitcoin ist. Aber Bitcoin SV ist eine Art Paralleluniversum, was gewesen wäre, wenn man die Limits entfernt hätte, die es bei dem Bitcoin derzeit gibt. Es ist der Wunsch-Bitcoin der Big Blocker: radikal und massiv onchain skalieren.

Derzeit wird dort ein Internet – oder Dateisystem – innerhalb der Blockchain aufgebaut: Man kann seine Dateien oder Internetseiten oder Programme auf der Blockchain abspeichern. Blöderweise werden die Dateien durch die Transaktions-ID referenziert. Das ist eine lange, unmöglich zu merkende hexadezimale Zeichenkette. Wer eine Datei finden will, muss sie kennen.

Metahandles setzen nun einen Link zwischen der Transaktions-ID und irgendeinem Schlüsselwort auf die Blockchain. So findet man seine Onchain-Datei, indem man nach einem beliebigen Wort sucht, weil der Eintrittspunkt auf der Blockchain selbst liegt. Wenn man das mal anfängt, führt eines zum anderen und plötzlich hat man onchain Domains und Accounts … aber das ist noch viel zu früh. Frag mich in einem Jahr nochmal – falls es Metahandles dann noch gibt.

BTC-ECHO: Maximalism, Toxicity, Herum-Geschimpfe scheinen Dinge zu sein, die man in den verschiedenen Communitys findet. Gibt es jedoch auch Foren, in denen diese unterschiedlichen Gruppierungen (bzw. Teile davon) doch zusammenfinden und einen sachlichen Diskurs haben? Welche Personen in den drei verschiedenen Bitcoin-Ökosystemen kannst du beispielsweise via Twitter oder anderen Plattformen als Vordenker oder Entwickler anderen Leuten empfehlen?

Christoph Bergmann: Ja, irgendwie hat sich in den letzten Jahren eine Art Stammes- oder Hooligan-Denken breit gemacht: Die Leute versammeln sich um einen Coin, interessieren sich nur für den, shillen ihn und haben dort ihre Community von Leuten, die es genauso machen. Im Englischen gibt es dafür ein Wort: „Circle Jerks“.

Ich finde, der Großteil der Leute ist sachlich und freundlich. Bitcoiner (und Altcoiner) sind in der Regel eine angenehme Gesellschaft: Sie sind gebildet, intelligent, weltoffen und teilen gemeinsame Interessen. Mir fallen viele erfreuliche Beispiele ein.

Ich habe mich etwa schon öfter mit der IOTA-Community gezofft, aber in München kam ein Mitglied derselben zu meiner Buchvorstellung, weil er sich mit mir unterhalten wollte, und wir hatten ein nettes, respektvolles Gespräch.

Jeff von Fulmo veranstaltet die Lightning Hackdays (und bald die Lightning Conference, Anm. d. Red.), ist überzeugter Bitcoin-Maximalist und eng mit vielen Hardlinern. Aber er wahrt den Respekt vor Altcoinern und hält sich von dem ganzen Gebashe heraus.

In Stuttgart stellt Thor Alexander ein bemerkenswertes Meetup auf, bei dem Bitcoiner und Altcoiner zusammenkommen.

Und in Berlin treffen sich die BSV und BCH Communitys weiterhin zum gemeinsamen Stammtisch trotz der ständigen Streitereien im Internet. Ich könnte noch viele Beispiele mehr nennen.

Das Problem sind nicht die Menschen, sondern die sozialen Medien. Vor allem Twitter und auch Reddit, die beiden großen Trollreiche dieser Welt. Ich finde es gruselig, wie dort Meinungen entstehen – oder entstanden werden – und wie sie sich verfestigen und radikalisieren. Es gibt definitiv so etwas wie Online-Kulte, und die schwappen auch in die echte Welt rüber, etwa auf manche Konferenzen.

BTC-ECHO: Bitcoin SV und in Grenzen Bitcoin Cash stehen für eine Onchain-Lösung des Skalierungsproblems. Sowohl im Bitcoin- als auch im Ethereum-Ökosystem werden inzwischen eher Offchain-Ansätze zur Skalierung diskutiert. Was spricht für und gegen diese unterschiedlichen Ansätze? Gibt es eine Möglichkeit, dass beide Seiten zusammenfinden?

Christoph Bergmann: Prinzipiell sehe ich keinen Grund, weshalb sich onchain und offchain ausschließen sollten. Ob langfristig bei einem Coin oder schon jetzt, wenn wir alle drei Bitcoins nehmen. Wir haben onchain, und wir haben offchain. Egal wer recht hat, wir gewinnen so oder so.

Ich bin ein Anhänger des Onchain-Skalierens. Onchain-Transaktionen sind Bitcoin, seit 2009, durch sie wurde Bitcoin groß, stark und beliebt. Ich werde nicht richtig warm mit dem Plan, das abzuwürgen und alles auf eine experimentelle Offchain-Lösung zu pressen.

Natürlich kann ich nachvollziehen, warum viele offchain wünschenswert finden. Ich benutze es auch, und ich bin oft beeindruckt, wie gut es geht. Aber am Ende ist es halt – egal wie sinnvoll es für das große Ganze ist und egal, wie brillant die Entwickler-Arbeit dahinter ist – ein wenig wie mit einem neuen Metallica-Album: Man applaudiert höflich, wenn es fast so gut wird wie früher. Für die User-Erfahrung ist Lightning ein massives Downgrade.

Ich fürchte, für die breite Masse wird Lightning nur funktionieren, wenn ein anderer – eine Art Bank – die Channels und damit die Schlüssel managt.

BTC-ECHO: Jüngst gab es eine große Chain Reorganization auf der Bitcoin SV Blockchain. Einerseits könnte man sagen, dass damit das Experiment „große Blöcke“ gescheitert ist. Du hast dagegen vor einigen Monaten geschrieben, dass dies eigentlich ein Erfolg war, zeigt es doch eine Art „Emergent Consensus”, eine Art sich entwickelndes Blocksize Limit. Sicherlich sprichst du damit einen Aspekt im Konsens Bitcoins an: Immutability ist nie 100 Prozent absolut. Aber kann man nicht auch umgekehrt sagen, dass dieses Beispiel dennoch die Probleme und Risiken mit riesigen Blöcken zeigte? Was, wenn deine Info durch eine Chain Reorg wieder verlorengeht?

Christoph Bergmann: Ich habe versucht, das im Podcast mit Daniel und Holger zu erklären. Reorganisationen und verwaiste Blöcke sind ein Teil des Prozesses, die Kapazität einer Blockchain sukzessive zu erhöhen. Sie verhindern zu große Blöcke und zwingen die Miner, in gute Netzwerke zu investieren. Das ist ein recht komplexes Thema.

Ein Stresstest, wie er auf Bitcoin SV regelmäßig vorkommt, setzt die Blockchain und die Nodes natürlich unter Stress. Darum geht es ja. Grenzen auszuloten und so. Dabei kam es auch gelegentlich zu Reorgs. Die User haben davon aber gar nichts mitbekommen. Die Transaktionen sind ja nicht weg, sondern bloß in einem anderen Block.

Es gibt natürlich Szenarien, in denen ein Miner das ausnutzt, um mich durch einen Double Spend zu betrügen oder um eine Transaktion, die ich eben gesendet habe, zu verwerfen. Aber warum sollte er? Für die allermeisten User sind das rein akademische Risiken. Falls sie mal relevant werden, wartet man halt ein paar Bestätigungen ab. Das machen Börsen schon lange so.

BTC-ECHO: Bitcoin SV macht in den letzten Monaten weniger als eine Payment-Lösung denn durch die Nutzung von OP_RETURN Schlagzeilen. Projekte wie WeatherSV, Yours.org  oder bitstagram fallen da ein – neben den gewagten Ideen von unwriter wie Planaria Network oder ähnliches. Könnte man bei all den interessanten Gedanken um die Nutzung von OP_RETURN nicht die Frage stellen, ob dies dem eigentlichen Nutzen als Zahlungsmittel schadet? Gerade bezüglich der Chain Reorg stellen große Blöcke doch eine große Gefahr für die Nutzung als Zahlungssystem dar…

Christoph Bergmann: Ja, das ist eine interessante Strategie. Nimm zum Beispiel Bitcoin Cash. Der konkurriert mit Bitcoin (Lightning), Dash und Litecoin darum, ein alltägliches Zahlungsmittel zu sein, und mit Monero darum, im Darknet anzukommen. Es gibt eine recht überschaubare Nachfrage nach Blockchain-Transaktionen – aber ein gewaltiges Überangebot: Wir haben rund 1.500 Kryptowährungen, mit denen man Geld überweisen kann. Lohnt es sich, damit zu konkurrieren? Vor allem, wenn man ein solches PR-Problem – oder -Desaster – hat wie Bitcoin SV?

Manche Leute sagen, es sei trivial und nutzlos, die Blockchain als eine Datenbank zu verwenden. Es ist ziemlich abstrakt, und man muss ein Weilchen darüber nachdenken. Ich wusste erst auch nicht, was ich damit anfangen soll, aber je mehr ich mich damit beschäftigte, umso sinnvoller und größer wird es. Ich kann noch nicht gut erklären, weshalb. Versuchen wir es mal so: Wenn es klappt, wird Bitcoin SV die Macht der großen Internetkonzerne über die User brechen, weil es keine Monopole mehr auf den Zugang zu Daten gibt. Und das ist nur ein Teil davon.

Klar gibt es einen Gegensatz zwischen Zahlungen und Daten. Sie beanspruchen ja dieselbe Ressource – Platz auf der Blockchain. Aber ich bin da optimistisch. Hier kann sich ein Markt bilden. Derzeit ist es eher so, dass die Daten die Zahlungen besser machen. Du kannst Zahlungen mit Nachrichten kombinieren, und kannst Daten benutzen, um komplexe, aber nachprüfbare Zahlungsströme zu machen, die durchs Internet gleiten und Beträge auf verschiedene Parteien verteilen.

Die Datensache zwingt Wallets auch dazu, besser zu werden. Schau dir mal Twetch an, ein Twitter-Klon mit Mikropayments über MoneyButton. Man bezahlt mit einem Knopfdruck, aber schreibt dabei Daten auf die Blockchain und verteilt die Outputs an verschiedene Parteien. Das ist das flüssigste und gleichzeitig ausgefeilteste Micropayment-System, das ich je erlebt habe. Und das nicht trotz, sondern wegen der Datenfunktion.

BTC-ECHO: Wie siehst du die Rollen von Bitcoin, Bitcoin Cash und Bitcoin SV in der Zukunft? Wird es am Ende nur einen Bitcoin geben (wenn ja, welchen?) oder kannst du dir eine Zukunft vorstellen, in der die drei Forks koexistieren?

Christoph Bergmann: Das ist eine sehr schwierige Frage. Sagen wir mal, ich sehe eine Zukunft für alle drei Bitcoins, und bin daher ein wenig „Bitcoin Complete“-Maximalist. Aber ich kann nicht in die Zukunft sehen, und möchte daher nicht spekulieren. Wer investieren will, sollte sich selbst informieren; ich persönlich halte es für das beste Investment, mich mit einer Sache zu beschäftigen, die ich interessant finde.

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