Rene Pickhardt im Interview „Das Lightning-Netzwerk und Bitcoin sind eine Sache“

Wir haben uns mit Rene Pickhardt über die Industrie-Adaption vom Lightning-Netzwerk unterhalten. Im ersten Teil haben wir etwas darüber gesprochen, was die Gründe für die langsame Akzeptanz sein können. Diese Gedanken wollen wir nun vertiefen.

Dr. Philipp Giese
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BTC-ECHO im Interview mit Rene Pickhardt über das Lightning-Netzwerk

Beitragsbild: Miriam Viehle

Wer am ersten Teil dieses Interviews über die Industrie-Adaption vom Lightning-Netzwerk interessiert ist, kann diesen hier finden. 

BTC-ECHO: Eines der großen Unternehmen, welches im Lightning-Ökosystem aktiv ist, ist bekanntlich Blockstream. Jüngst wurde Liquid-Support auf BTCpay-Servern eingeführt. Wie ist das im Themenkomplex „Industrieadaption von Lightning“ zu bewerten? Gerade weil Adam Back sich in einer Diskussion mit Matt Corallo über die Schwächen von Lightning ausließ: Liquid und Lightning – Koexistenz oder Konkurrenz?

Rene Pickhardt: Sagen wir es mal so: Blockstream wurde ursprünglich gegründet, um Liquid zu bauen. Jene, die das Whitepaper zu Liquid geschrieben haben, sind mit die Hauptgründer von Blockstream. Entsprechend hat das Unternehmen das Ziel, Liquid voranzutreiben. Persönlich habe ich damit kein Problem. Blockstream ist inzwischen auch so weit gewachsen, dass sie neben Liquid eben Lightning als zweites Skalierungs-Angebot im Portfolio haben.

Ich glaube, Liquid und Lightning lösen unterschiedliche Probleme. In der Hinsicht kann ich die Frage stellen, warum man Liquid in BTCPay-Server integriert hat. Meiner Meinung nach ist Liquid eine probate Lösung, um große Mengen an Bitcoins zwischen unterschiedlichen Börsen oder anderen Custodians weiterzugeben. BTCPay-Server sind eher im Endkunden-Bereich angesiedelt.

Vielleicht an der Stelle ein Gedankenanstoß: Warum führen wir überhaupt diese Diskussion? Im Krypto-Space debattiert man dann über einen Austausch zwischen Matt Corallo und Adam Back, bei denen vielleicht private Gründe bei der Diskussion mitschwingen. Und das ist jetzt nicht einfach auf dieses Gespräch bezogen, es ist ein generelles Problem im Krypto-Space: Viele folgen diesem Klatsch und Tratsch auf Twitter, statt die Zeit dafür zu nutzen, den Bitcoin-Kosmos besser zu verstehen. Was konkret ist ein Private Key? Was ist eine Signatur? Wer hat überhaupt verstanden, dass ein Bitcoin nichts anderes als eine Kette von digitalen Signaturen ist? Schließlich: Was bedeutet das für mich und meinen Umgang mit Bitcoin? Ich denke, wenn sich viel mehr im Space solchen Fragen widmen, wäre auch viel für die Lightning-Adaption gewonnen.

Augenzwinkernd könnte man zusammenfassen: Statt über den Gossip auf Twitter sollte man sich eher mit dem Gossip-Protokoll des Lightning-Netzwerks vertraut machen. Mehr Gossip statt Gossip!

BTC-ECHO: Wir sprachen viel darüber, wo der Schuh drückt. Was gibt es zur Lightning-Adaption deiner Meinung nach Positives zu sagen?

Rene Pickhardt: Ein positives Beispiel ist die Menge an wissenschaftlichen Publikationen über das LightningNetzwerk. Es ist ein bekanntes Phänomen aus der IT-Branche, dass hier häufiger die Industrie der Forschung quasi voraus ist. Programmierer entwickeln eine neue Technologie, die theoretische Einordnung folgt später.

Das ist ein sehr guter und wichtiger Prozess, führt dies schließlich zu Verständnis und dazu, dass sich auch Menschen außerhalb des ursprünglichen Entwicklerklüngels mit der neuen Technologie befassen.

Eine kleine Ironie merkt man dabei auch: Zwar sind viele Bitcoiner mehr oder weniger radikal gegen den Staat eingestellt, jedoch sind die genannten universitären Forschungen dann eben doch staatlich finanziert.

Die akademische Erschließung vom Lightning-Netzwerk ist wichtig, da dies, unabhängig von Lightning oder IT häufig der erste Schritt für eine industrielle Adaption ist.

Eine zweite sehr interessante Sache sind die Residencies von chaincode labs. Bei den Residencies handelt es sich um Bootcamps, die ein bis zwei Wochen dauern und wo Besucher von Lightning-Entwicklern das Handwerk erlernen und sich in der Zeit einem eigenen Projekt um das Lightning-Netzwerk widmen können.

Hier kommen wir aber auch wieder auf das Dilemma um die Industrie-Adaption des Lightning-Netzwerks zu sprechen. Wir haben hier also mehrere hochqualifizierte Developer, die Bitcoins Second-Layer-Lösung ausbauen wollten – und die haben kein Funding bekommen. Die sitzen nun auf dem Trockenen und finden keine Stelle. Und auf der anderen Seite beklagen sich dann Unternehmen, dass das Lightning-Netzwerk zu wenig ausgebaut sei, möchten aber selber keinen Cent investieren bzw. Entwickler einstellen.

BTC-ECHO: Wir sind wieder bei der ursprünglichen Problemstellung gelandet. Was denkst du, kann man machen, um diesen gut ausgebildeten Entwicklern zu helfen? Welche Änderung im Mindset ist notwendig?

Rene Pickhardt: Was können Unternehmen im Space machen? Sich an der IT-Welt jenseits von Kryptowährungen orientieren wäre ein Ansatz. Google bezahlt einige Entwickler in den eigenen Reihen, um am Linux-Kernel mitzuarbeiten. Intel, AMD etc. machen das auch, weil sie wissen, dass ihre Partizipation im Open-Source-Bereich auch den proprietären Unternehmen zugutekommt.

Das Paradoxe ist: Eine derartige Haltung hat sich noch nicht flächendeckend im Bitcoin-Ökosystem etabliert, auch wenn an sich viel mehr Geld im Spiel ist.

Ein konkretes Beispiel: Warum ermöglicht eine Webseite wie Bitcoin.de weder Deposits oder Withdrawals in Lightning? Es wäre für Bitcoin.de, wie weiter oben beschrieben, ein unglaublicher Vorteil. Und es geht mir nicht um einen Vorwurf gegen Bitcoin.de, eher frage ich mich: Von den sicherlich vielen Usern, die dort Bitcoin an- beziehungsweise verkaufen – wieso gibt es anscheinend so wenige, die an einer Implementierung von Lightning interessiert sind? Eine Sache, die jeder einzelne tun könnte, wäre, derartige Wünsche – einer Lightning-basierten Peer-to-Peer-Exchange – zu kommunizieren.

BTC-ECHO: Da sind wir letztlich auch bei deinem zweiten Punkt: Was muss sich beim Mindset ändern? Ein großes Problem innerhalb der Bitcoin-Community ist, dass man eben zwischen Bitcoin und Lightning einen Unterschied macht.

Rene Pickhardt: Ich werde im Sommer eine Schüler-Akademie leiten, bei der das ursprüngliche Thema Lightning war. Inzwischen haben wir aber das Thema geändert. Wir sprechen über Bitcoin. Warum? Weil es dasselbe Thema ist. Lightning ist eine gute Art und Weise, wie man Bitcoin gut verwendet. Es ist keine zweite Sache, es ist keine „Off-Chain-Lösung“ oder ähnliches. Bitcoin und das LightningNetzwerk sind eins.

Lieber Rene, vielen Dank für das Gespräch!

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