Interview Peter Bofinger zur Corona-Krise: „Angst ist ein schlechter Ratgeber”

Die Ausnahmesituation infolge der Corona-Pandemie führte dazu, dass Regierungen und Zentralbanken Notfallmaßnahmen ausarbeiten, um nachhaltige wirtschaftliche Schäden einzudämmen. Wie stark wird Deutschlands Rezession? Was soll genau getan werden? Können wir der Krise auch etwas Gutes abgewinnen?

Dana Hajek
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Starökonom Peter Bofinger im Interview mit BTC-ECHO

In Teil 1 unseres Interview verrät uns der ehemalige Wirtschaftsweise und Professor für Volkswirtschaftslehre, Peter Bofinger, seine Lösungen aus der Krise und erklärt, warum es so einen wirtschaftlichen Einbruch bislang in Deutschland noch nicht gegeben hat.

BTC-ECHO: Herr Bofinger, was ist aktuell Deutschlands Mission inmitten der Corona-Krise?

Peter Bofinger: Alles notwendige in Bewegung zu setzen, um die Schäden der Krise auf die Wirtschaft möglichst eng begrenzt zu halten. 

BTC-ECHO: Welchen wirtschaftlichen Schwierigkeiten stehen wir momentan bei der Corona-Krise gegenüber?

Peter Bofinger: Zwar werden große Zahlen von der Regierung ins Schaufenster gestellt, diese Maßnahmen reichen in zentralen Feldern allerdings nicht aus. In anderen Worten: Es gibt viele Liquiditätshilfen, aber für viele Mittelständler*innen ist die Bereitstellung von Liquidität nicht ausreichend. Denn die Einnahmen brechen weg und sobald sie dafür mehr Kredite aufnehmen, sind sie am Ende der Krise überschuldet oder massiv verschuldet. So werden sie den Start nicht mehr richtig hinkriegen.

BTC-ECHO: Haben Sie sich dafür schon konkrete Lösungsvorschläge überlegt?

Peter Bofinger: Zusammen mit Micheal Hüther, dem Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, habe ich ein Modell vorgestellt, bei dem Unternehmen mit einem Steuerbonus geholfen werden soll, mit den Einnahmeausfällen klarzukommen. Konkret: Unternehmen bekommen eine Rückzahlung der für das Jahr 2019 bereits geleisteten Vorauszahlungen auf die Einkommen- oder die Körperschaftsteuer. 

Ich denke da an 20 Prozent bei der Einkommensteuer und 40 Prozent bei der Körperschaftsteuer. Diesen Bonus könnten sie schnell und unbürokratisch vom Finanzamt ausbezahlt bekommen. Stellt man in der Steuererklärung für das Jahr 2020 dar, dass der Gewinnrückgang nur vergleichsweise gering war, muss das Unternehmen den Bonus wieder zurückgeben.

BTC-ECHO: Kann sich Deutschland so etwas generell überhaupt leisten?

Peter Bofinger: Ja sicher. Deutschland steht mit seiner Staatsverschuldung relativ zur Wirtschaftsleistung finanziell bestens dar. Kaum ein Land hat jetzt einen so großen finanziellen Spielraum wie Deutschland.

BTC-ECHO: Glauben Sie, dieses Modell könnte sich durchsetzen?

Peter Bofinger: Die Liquiditätshilfen kamen schnell. Steuerrückzahlungen sind politisch nicht so einfach durchzusetzen. Aber sie werden unausweichlich werden, wenn der Shutdown noch länger anhält.

BTC-ECHO: 2001 war das Platzen der Dotcom-Blase und 2007/2008 gab es dann die Finanzkrise. Die aktuelle wirtschaftliche Krise durch COVID-19 hat auch den Krypto-Markt stark aufgewühlt. Inwiefern unterscheidet sich die Corona-Krise, von vorherigen, wirtschaftlichen Krisen?

Peter Bofinger: Kommt drauf an. Die Volatilität der Aktienmärkte ist höher als je zuvor. Die CoronaKrise ist bisher vor allem eine Krise der Realwirtschaft. Die Krise 2008/2009 war im Kern eine massive Krise des Finanzsystems. Die jetzige Krise unterscheidet sich von der Finanzkrise und anderen größeren Konjunktureinbrüchen dadurch, dass sie den Konsum massiv beeinträchtigt. Das ist etwas ganz Neues, da sich der private Verbrauch sonst immer recht stabil entwickelt hat.

BTC-ECHO: Wie stark wird die Rezession in Deutschland durch die Krise?

Peter Bofinger: Jeder Monat Shutdown kostet rund 4 Prozent unserer Wirtschaftsleistung. Wie tief der Einbruch wird, hängt also primär von der Dauer des Shutdowns ab. Aber diese Frage ist im Augenblick ziemlich müßig. Wir müssen primär einfach erstmal schauen, dass wir die nächsten Wochen bewältigen und die Unternehmen dabei so wenig Schaden wie möglich nehmen. Wenn das Ende des Shutdowns in Sicht ist, braucht es ein umfassendes Revitalisierungsprogramm, dass die Wirtschaft schnell wieder in Gang kommt.

BTC-ECHO: Können Sie der Krise auch etwas Positives abgewinnen?

Peter Bofinger: Das fällt schwer. Immerhin, wenn es gelingt, die Primärschäden einzudämmen, sehe ich das Potenzial, dass es relativ schnell wieder los gehen kann. Wenn die Beschränkungen aufgehoben werden, gehen die Leute auch wieder raus, gehen shoppen, essen in Restaurants und fahren in den Urlaub. Vielleicht sogar mehr denn je. Deswegen ist es jetzt so wichtig, dass unsere Wirtschaft in dieser Quarantäne-Phase keine nachhaltigen Schäden erleidet.

BTC-ECHO: Abhängig davon, wie lange dieser Zustand anhalten wird.

Peter Bofinger: Klar. Da kann ich aber leider auch nicht weiterhelfen. Das ist eine medizinische und gesundheitspolitische Frage.

BTC-ECHO: Einige Expert*innen vertreten die Meinung, einer der Faktoren, die diese Wirtschaftskrise deutlich von vorangegangenen unterscheiden, sei die Geschwindigkeit, in der sie sich ausbreite. Wie bewerten Sie das?

Peter Bofinger: So einen Einbruch gab es noch nie. Das hat sich auch in kurzer Zeit so aufgebaut. Und hierbei ist, wie gesagt, das Problem der private Verbrauch. Deswegen kam das Ganze auch sehr schnell: Geht keiner mehr raus, geht keiner mehr einkaufen, bricht das ganze System ein.

BTC-ECHO: Wir könnten doch zum Online Shopping wechseln.

Peter Bofinger: Das geschieht, aber es wird den Einbruch nur abbremsen. Viele Menschen sind massiv verunsichert, geradezu in einer Schockstarre. Sie wissen nicht: Werde ich bald weiterarbeiten? Verliere ich meinen Job? Hart ist es insbesondere für die Selbstständigen, die nicht durch das Kurzarbeitergeld oder die Arbeitslosenversicherung abgesichert sind. Mittlerweile erfasst die Krise selbst die Bauwirtschaft. Es werden keine neuen Bauprojekte geplant und umgesetzt, die Menschen kaufen keine Wohnungen.

BTC-ECHO: Was spielt bei Anleger*innen angesichts der Corona-Krise momentan die ausschlaggebendste Rolle?

Peter Bofinger: Sicherheit. Sicherheit. Sicherheit. Am besten kommen diejenigen durch die Krise, die ihr Geld auf der Bank haben.

BTC-ECHO: À Propos Anleger*innen. Denken Sie, die großen Fische der Aktienmärkte haben ihre Schäfchen schon längst ins Trockene gebracht?

Peter Bofinger: Sicherlich gibt es genug Leute, die momentan versuchen, etwas raus zu schlagen. Mich hat es ehrlich gesagt sehr verwundert, wie spät der Aktienmarkt überhaupt auf die CoronaKrise reagiert hat. Das zeigt deutlich, wie kurzsichtig oder wenig vorausschauend Finanzmärkte sind. Jeder dachte offensichtlich, die Party ginge noch weiter.

Ich vergleiche das gerne mit einem Fußballstadion: Solange es voll ist, denkt man, man könne jederzeit raus. Sobald allerdings alle raus wollen, kann man nicht mehr raus. So läuft das auf dem Aktienmarkt auch: Solange die Kurse hoch sind, denkt jeder, er könne noch rechtzeitig aussteigen. Sobald alle rauswollen, erlebt man, was wir jetzt erleben: Furchtbares Gedrängel und schreckliche Folgen.

BTC-ECHO: Mal angenommen Deutschland wird diese schwierige Situation stemmen. Bleibt sie nicht trotzdem eine enorme Herausforderung für das Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Union?

Peter Bofinger: Das kommt drauf, wie wir uns anstellen. Es könnte auch eine Chance bedeuten. Wir müssten verstehen, dass keines der Länder für die aktuelle Lage verantwortlich ist. Daher sollten wir es als eine gemeinsame Herausforderung betrachten und es auch gemeinsam wuppen. Ich habe mit einigen Kollegen das Modell der Corona-Bonds vorgeschlagen. Das bedeutet, man begibt gemeinsame Anleihen, um zu zeigen: Wir stehen gemeinsam in dieser Krise zusammen. Deutschland war von der Idee jetzt nicht gerade begeistert.

BTC-ECHO: Was schätzen Sie, woran das liegt?

Peter Bofinger: Ich denke, wir haben in Deutschland Angst, dass die Situation zu einem Präzedenzfall wird und wir in Zukunft für alle ausstehenden Schulden in der Währungsunion haften müssen. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Es wäre fatal, wenn es aufgrund unserer Bedenken gegen ein solidarisches Vorgehen zu einem Auseinanderbrechen der Währungsunion kommen würde. Gerade die aktuelle Krise verdeutlicht uns ja, wie gut es ist, eine gemeinsame Währung zu haben. Mit der D-Mark würden wir jetzt eine massive Aufwertung erleben, die alles für unsere Wirtschaft noch schwieriger machen würde.

BTC-ECHO: Aber Dexit kommt jetzt nicht?

Peter Bofinger: Damit würden wir uns aktuell selbst ins Knie schießen.

BTC-ECHO: Was sagen Sie denn all den Bürger*innen, die um ihr Erspartes fürchten?

Peter Bofinger: Das Geld auf der Bank ist die sicherste Anlage im Augenblick. Da weiß man mit Sicherheit, was man nach der Krise noch haben wird. Alles andere ist momentan enorm unsicher.

BTC-ECHO: Und wenn eine Bank pleite geht?

Peter Bofinger: Da werden die Staaten genauso energisch eingreifen wie 2007/2008.

Den zweiten Teil dieses Interview findet ihr am Montag auf BTC-ECHO.

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