NFT als Musik-Retter? Warner Music gibt den Takt vor

Die goldene Ära der Musik, in der auch One-Hit-Wonder mit einer goldenen Schallplatte fürs Leben ausgesorgt hatten, ist lange vorbei. Zwar ist die Piraterie à la Napster, Kazaa und LimeWire weitestgehend überwunden, die Streaming-Plattformen stellen jedoch eher ein Trostpflaster, als eine dauerhafte Lösung für das Problem der Branche dar. Abhilfe könnte die Blockchain schaffen, oder genauer: Non-fungible Token (NFT). Denn die ermöglichen Musikern und Labels gleichermaßen, eine zusätzliche Einnahmequelle zu schaffen. Ein globaler Player, der schon früh auf den NFT-Hypetrain aufgesprungen ist, ist Warner Music. Gibt das US-amerikanische Milliardenunternehmen den Takt für die gebeutelte Branche vor?

Paol Hergert
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Warner Music

Beitragsbild: Shutterstock

Jedes Jahr veröffentlicht der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) etwa zur gleichen Zeit seinen Bericht zum Umsatz und den Umsatzanteilen der hiesigen Musik-Branche. Und jedes Jahr verschärft sich das Bild eines digitalen Marktes, der den analogen Markt nach und nach verdrängt. Anfang März 2021 war es wieder so weit. Das Ergebnis: 71,5 Prozent des branchenweiten Umsatzes im vergangenen Jahr ging auf digitale Nutzung zurück, dabei legte Streaming um stolze 24,6 Prozent zu und machte 63,4 Prozent der Umsätze des Gesamtmarktes aus. Die CD, erst 2017 nach 30-jähriger Pole Position vom ersten Platz verdrängt, büßte im Vergleich zum Vorjahr noch einmal 18 Prozent ein und lag 2020 bei 21,6 Prozent. Als Grund für den dramatischen Abrutsch werden in dem Bericht auch die durch die Lockdowns verursachten Ladenschließungen genannt. Neben Musikgeschäften finden seit einem guten Jahr jedoch auch fast keine Konzerte statt. Und dass, obwohl die Live-Auftritte bei sinkenden Einnahmen aus Musik-Verkäufen eine immer größere Rolle für die Einnahmen der Musiker und Labels spielen. Was also tun? Ganz einfach, denken sich berühmte Bands wie die Kings of Leon und Einzelkünstler wie Grimes: ab ins Netz, in Richtung Blockchain und diesen neuen ominösen “Non-fungible Token”.

Das Internet soll dabei nicht zum ersten Mal den Rettungsreifen mimen, auch die letzte große Krise der internationalen Musikbranche – Filesharing-Plattformen wie Napster, Kazaa, Limewire und eDonkey2000, die für katastrophale Umsatzeinbrüche sorgten – wurde im Netz bekämpft; durch legale Musik-Downloads (etwa Apples iTunes). Nun jedoch werden diese wiederum weitestgehend von Streaming-Plattformen (Spotify, Apple Music) abgelöst, was erneut zu Umsatzeinbrüchen für den überwältigenden Teil der Branche führt. Denn die Plattformen streichen den größten Anteil der Einnahmen selbst ein. Dann kommen die Labels und erst zum Schluss die Künstler und Produzenten selbst, die sich mit einem Bruchteil ihrer einstigen Einnahmen zufriedengeben müssen. NFT könnten da Abhilfe schaffen – und Warner Music entpuppt sich vom konservativen Branchen-Giganten zum Vorreiter einer regelrechten Revolution der Musik im digitalen Raum.

Warner Music und Dapper Labs

Bereits 1958 als Warner Bros. Records gegründet, gehört das seit 2001 unter dem Namen Warner Music Group Corp. (WMG) operierende Konglomerat zu den sogenannten “Big 3”, also den größten Musikunternehmen der Welt – gemeinsam mit Universal Music Group (UMG) und Sony Music Entertainment (SME). Nachdem Warner sich 2011 von der Börse zurückgezogen hatte, vollzog das Unternehmen im vergangenen Juni seinen zweiten Börsengang – und nahm 2 Milliarden US-Dollar ein, bei einer Bewertung von 12,75 Milliarden.


Doch bereits ein Jahr zuvor springt die Warner Music Group auf einen Hype-Train auf, der zu dem Zeitpunkt noch nicht viel mehr als eine Holzeisenbahn aus dem Hause Brio darstellt: NFT. Denn im September 2019 beteiligte WMG sich an einer Investitionsrunde von Dapper Labs, jener kanadischen Blockchain-Entwicklungsfirma, die für so erfolgreiche NFT-Projekte wie CryptoKitties, NBA Top Shot und die Flow Blockchain verantwortlich ist. Auch, um gemeinsam mittels der Flow Blockchain an neuen Monetarisierungsmodellen für Musik zu tüfteln. Gegenüber Forbes sagte Jeff Bronikowski, damals noch im Warner-Vorstand für die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmensgruppe zuständig: “Das Hauptziel ist es, neue Wege zu schaffen, auf denen Fans ihr Fandasein erkunden können und sich mit den Künstlern in neuen, anderen Arten und Weisen zu beschäftigen.” Dapper Labs stellte damals das erste Blockchain-Investment der Warner Music Group dar, nicht zuletzt dank des visionären Bronikowski, der mittlerweile von Apple abgeworben wurde – ein Ritterschlag in der Branche.

Mit der damaligen Investition bewiesen Bronikowski und sein Arbeitgeber Warner Music Weitsicht, lernten von den CryptoKitties, dass durchaus ein Markt für digitale Unikate existiert, der mitunter große Summen für Kunst und Künstler bietet. Heute verdienen Künstler mit ihren NFT teils mehrstellige Millionenbeträge. Beeple etwa erzielte mit seinem Werk EVERYDAYS kürzlich im Zuge einer Christie’s-Auktion einen Rekordpreis von 69 Millionen US-Dollar, und ist dabei weit nicht der berühmteste Künstler, der im NFT-Space aktiv ist. Die Rockband Kings of Leon brachte kürzlich ein Album auch als NFT heraus, der Linkin-Park-Frontmann Mike Shinoda veräußerte ebenfalls einen eigenen NFT – und erzielte damit rund 30.000 US-Dollar in ETH. Großes Potenzial für Wachstum also, insbesondere, wenn man sich das Line-up des Musik-Giganten Warner anschaut.

Auch Linkin-Park-Sänger Mike Shinoda verkaufte bereits ein eigenes NFT. Die Band steht bei Warner Records unter Vertrag (Quelle: Warner Music Group/James-Minchin-III)

Cardi B, Ed Sheeran und Coldplay

Denn wirft man einen Blick in die Liste der Künstler und Bands, die bei der Warner Music Group unter Vertrag stehen, rückt Linkin Park eher auf den Rang einer Vorband. Der Singer-Songwriter Ed Sheeran ist da etwa zu nennen, dessen letztes Album sich weltweit rund 1,1 Millionen mal verkaufte und dem Sänger insgesamt elfmal Platin einbrachte (verteilt auf die verschiedenen Regionen). Ähnlich verhält es sich bei vielen weiteren Acts, zu denen die Rapperin Cardi B, der DJ Robin Schulz, die Band Coldplay und die Sängerin Rita Ora gehören. 

Nimmt sich die Warner Music Group nun für ihre Künstler ein Beispiel an der ebenfalls auf der Dapper Labs Blockchain Flow laufenden NFT-Plattform NBA Top Shot, die besondere Momente aus Basketballspielen der amerikanischen Profi-Liga handelbar macht, wächst das Potenzial exponentiell. Das Label könnte etwa besondere Momente der Konzerte – sofern diese denn nach der überwundenen Pandemie wieder stattfinden – auf der Flow-Blockchain als digitale Unikate verewigen und unter den Fans versteigern. Groupies der einzelnen Künstler würden zweifelsohne ein Vermögen für “ihren ganz persönlichen Ed-Sheeran-Moment” ausgeben. Auch digital signierte Alben, persönliche virtuelle Booklets und individualisierte Musik-Videos sind denkbar. Ein großer Vorteil: Die Mittelsmänner entfallen, Künstler und Label kommen den Fans einen Schritt näher und die Streaming-Platzhirsche werden übergangen. Das spült weit mehr Geld in die Kassen von Warner und den jeweiligen Künstlern.

Der Aktienkurs des Konglomerats zeigt sich indes wenig beeindruckt von den Entwicklungen im NFT-Space.

Seitwärtstrend seit IPO

Am 5. Juni 2020 ging die Warner Music Group zum zweiten Mal in ihrer Firmengeschichte an die Börse, handelte zu einem Startkurs von 29,94 US-Dollar und bewegte sich dann bis in den vergangenen Dezember hinein um die 30-Dollar-Marke. Ins neue Jahr startete die Aktie dann unter besseren Vorzeichen, erreichte im Januar gar 38,74 US-Dollar, befindet sich seitdem jedoch im Sinkflug, der zwar langsam, aber doch stetig zurück in Richtung der 30 USD zeigt. Zu Redaktionsschluss befindet sich der WMG-Kurs bei 34,11 US-Dollar. Noch ist der NFT-Hype also nicht auf die Musikbranche als solche übergeschwappt, doch das große Potenzial könnte schon bald dafür sorgen, dass der Aktienkurs des Musik-Unternehmens wieder gen Norden steigt. Vor allem, wenn man nicht ganz ohne Optimismus bedenkt, dass Lockdown, Ausgehstopps und geschlossene Konzertsäle bald wieder der Vergangenheit angehören dürften.

Disclaimer

Dieser Artikel erschien zunächst in der April-Ausgabe unseres Magazins “Kryptokompass” – mehr zum Magazin und einem Abonnement erfahrt ihr hier.

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