Estlands CIO Sikkut: Blockchain kann mehr sein als ein Experiment

Estlands Chief Information Officer (CIO) Siim Sikkut setzt sich für einen stärkeren Austausch von Daten in Europa ein. Die Blockchain könne dabei mehr sein als nur ein Experiment. Derzeit jedoch habe die Technologie keinen wirklichen praktischen Nutzen.  Dennoch glaube er weiterhin an deren Möglichkeiten, so das überraschend nüchterne Zwischenresümee des Informationsbeauftragten. Estland gilt als Pionier staatlicher Blockchain-Adaption und nutzt die Technologie bei einer Vielzahl staatlicher Dienstleistungen.

David Barkhausen
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| By Aron Urb (EU2017EE) (Flickr) [CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Den Datenaustausch in Europa vorantreiben, die Cybersicherheit stärken und gleichzeitig Menschen weltweit für die digitale estnische Staatsbürgerschaft begeistern – das ist die Agenda, die sich Siim Sikkut, Estlands CIO und Mitverantwortlicher im Bereich Digitalisierung, auf die Fahne geschrieben hat.

Estland, Fackelträger staatlicher Blockchain-Nutzung, schultert die staatliche Datenverarbeitung seit Jahren mithilfe von Distributed-Ledger-Technologien. Auf die Frage, ob der Baltikum-Staat diese vor allem als Werkzeug für Cybersicherheit einsetze, betont Sikkut im Gespräch mit Wirtschaftswoche:

 „Wir experimentieren [mit der Blockchain] seit zehn Jahren, da gab es das Wort noch gar nicht. Es ging aber immer um die Frage: Wie können die Daten, die vom Staat genutzt werden, unverfälscht bleiben?“

Dennoch zieht der 35-Jährige im Angesicht des entschiedenen Blockchain-Engagements seines Landes ein überraschend ernüchterndes Zwischenfazit zur bisherigen Nutzung der Technologie. Auf die Frage, ob die Blockchain den momentanen Hype wert wäre, gibt er sich wenig euphorisch:

„Einen praktischen Nutzen hat sie derzeit nicht. Aber wir glauben, dass irgendwann jemand eine gute Idee für eine praktische Anwendung hat.“

So könne diese grundsätzlich demokratische Kräfte stärken – etwa im Zuge von Wahlen oder Volksabstimmungen. Allgemein sei deren Einsatz aber weltweit wie auch in Estland vom politischen Willen abhängig, so Sikkut.

Blockchain-Pionier e-Estonia auf internationalem Kurs

Dass ein solcher politischer Wille im Baltikum auch abseits des wenig enthusiastischen Blockchain-Resümees vorliegt, beweist Estland seit Jahren. Das Land gilt als Pionier staatlicher Blockchain-Adaption und nutzt die Technologie bei einer Vielzahl staatlicher Dienstleistungen. Im Zuge seiner Digitalisierungsoffensive e-Estonia etwa verlagert das Land 99 Prozent seiner öffentlichen Dienstleistungen ins Digitale.

Als Vorreiter staatlicher Digitalisierung sorgen die Behörden so dafür, dass die estnischen Bürger alle Informationen nur einmal online eingeben und diese dann automatisch ausgetauscht werden. Große Teile des gesamten Regierungs-, Steuer-, Bildungs-, Gesundheits- oder Justizwesens stehen den Esten mit wenigen Mausklicks zur Verfügung. Ein Beispiel: Nahezu alle Rezeptverschreibungen lagern sicher auf einer Blockchain und werden zwischen Ärzten, Patienten und Apotheken digital vermittelt.

Künftig werden diejenigen, die die Dienste in Anspruch nehmen dürfen, zudem immer zahlreicher. Denn eines der Kernziele Sikkuts digitaler Agenda ist die Ausweitung des sogenannten e-Residency-Programms. Künftig will er diesen Eckstein der estnischen Digitalisierung weltweit allen Menschen zur Verfügung stellen. So soll es um den Globus jedem möglich werden, im Digitalen estnischer Staatsbürger zu werden.

Abseits dessen setzt sich Estlands CIO zudem für eine über estnischen Grenzen hinausgehende Standardisierung von Unternehmensdaten ein. Im Gespräch mit Wirtschaftswoche ist er sich sicher, dass es in Europa künftig einen „digitalen Schengenraum“ brauche:

„Leute und Unternehmen ziehen um, so ist das Leben. Aber das ist derzeit ein Höllenjob. Nehmen Sie mal Ihre Daten als Unternehmen über eine Grenze innerhalb der EU mit. Wir brauchen koordinierte Infrastrukturen, die das ermöglichen“,

so Sikkut.

Dass auch bei einer solchen Initiative künftig Blockchain-Technologie zum Einsatz kommen könnte, ist dabei durchaus denkbar.

Über Deutschland: „Digitalisierung gehört in die Regierungszentrale“

Während die Mission Digitalisierung jedoch in Deutschland weiter auf holprigen Pfaden verweilt, sich gleich fünf Ministerien die Aufgabe teilen und weiterhin Diskussionen über die Nützlichkeit des neuen Postens der Staatsministerin fürs Digitale lodern, ist dies für Estlands CIO kein Problem.

„Der Job gehört eigentlich auch in die Regierungszentrale. So hat der erste CIO hier in Tallinn angefangen. Darauf kommt es aber auch nicht an. Hauptsache, es gibt Jemanden, der etwas zu sagen hat.“

Denn anders als in Estland, wo Siim Sikkut als Informationsbeauftragter unmittelbarer Teil des Kabinetts ist, sitzt die Digitalisierungsverantwortung in Person von Staatsministerin Dorothee Bär hierzulande im Kanzleramt, hat jedoch wenig Mittel und Ressourcen, die Mammutaufgabe zu bewältigen. „Digitalisierung ist Chefsache“, heißt es hier zwar von Seiten der CDU. Bisher jedoch hat sich vor allem hinsichtlich kommender Blockchain-Nutzung wenig getan – trotz mehrfacher Nennung im aktuellen Koalitionsvertrag.

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