Wann platzt die Blase? Corona-Kosten: So viel Schulden verträgt unsere Weltwirtschaft

Die Corona-Krise wird ziemlich teuer, wie die letzten Zahlen des Ifo-Instituts nahelegen. Die Schulden dürften rasant anwachsen und unser System an die Belastungsgrenze führen. Warum die Schuldenhöhe keine Rolle spielt, Krisenpropheten und Notenbanker gleichermaßen Recht haben und wieso eine Lösung des Schuldenproblems in der Digitalisierung liegt. Ein Kommentar.

Sven Wagenknecht
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Schulden

Beitragsbild: Shutterstock

Wirtschafts- und Finanzkrisen gibt es seit vielen Jahrhunderten. Noch nie hatten wir aber die Situation, dass fast alle Länder und Notenbanken in der gleichen Situation sind. Zwar sind manche Nationen stärker als andere verschuldet. Der Schuldenstand der USA ist deutlich höher als der von China, aber letztlich ist das, so absurd das klingen mag, relativ egal. Zumal man nicht nur die Staatsschulden im Blick haben sollte, sondern auch die Schulden der Unternehmen und Privathaushalte. Rechnet man alles zusammen, dann liegt die Verschuldung, die auf der Weltwirtschaft lastet, bei 317 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Warum wir alle im gleichen Boot sitzen – Ein Bild über die G20

Blickt man nun auf die wirtschaftlich relevanten Staaten (Gruppe der G20), dann zeigt sich ein relativ homogenes Bild. Die Mehrheit ist gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung ziemlich überschuldet – im Schnitt bei rund 89 Prozent des BIP. Selbst die Lokomotive China, die die Weltwirtschaft am Laufen gehalten hat, kommt kaum noch mit dem Wachstum in Relation zu den Schulden nach. Wer Schulden hat, braucht Wachstum, sonst wird es mit den Zinsrückzahlungen schwierig. Diese werden zwar langsam abgeschafft, aber dennoch gibt es bislang genügend Staatsanleihen, die bedient werden möchten.

Nun mag es Ausnahmen geben. Diese sind global betrachtet jedoch irrelevant, da nun einmal über 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung über die G20 abgewickelt wird. Alle in der G20 sitzen im gleichen Boot, auch wenn die Schuldenstruktur eine andere ist. Manche Staaten sind beispielsweise eher bei ihren Bürgern verschuldet (Japan), während andere hingegen ihre Schulden eher im Ausland haben (USA). Die Kosten der Corona-Krise trifft alle Staaten, die einen mehr, die anderen weniger.

Der große Streit: Wenn Krisenprophet auf Zentralbanker trifft

Nun existiert ein großer Streit zwischen denen, die gerne auch als Krisenpropheten bezeichnet werden und eine systemkritische Position einnehmen, und denen, die für die Aufrechterhaltung des Systems und der Notenbankpolitik stehen. Während die Krisenpropheten aktuell ein Ende der Fahnenstange sehen, da sich Schulden und Geldmengenausweitung zu weit von dem volkswirtschaftlich und realwirtschaftlich Verkraftbaren entfernt haben, sieht die andere Seite es deutlich entspannter. Nach dem Motto: „Verschuldung ist das, was du daraus machst forcieren Vertreter des bestehenden Finanzsystems die These, dass man durch eine kluge oder gar innovative Geldmengensteuerung das Spiel noch annähernd ewig weitertreiben kann, sofern gewisse Faktoren stabil bleiben.

Da Finanz- und Wirtschaftswissenschaften keine Naturwissenschaft sind, sondern zu den Sozialwissenschaften gezählt werden, ist es nicht möglich zu beweisen, wer Recht hat und wer nicht. Beide Seiten verfügen über kluge Argumente, auch wenn einem der gesunde Menschenverstand sagt, dass es nicht mehr ewig so weitergehen kann. Es fällt sehr schwer, den Krisenpropheten nicht zuzustimmen.

Es kommt nicht auf die Höhe der Schulden, sondern auf den Zins an

Sicherlich gibt es eine Grenze, an dem ein System zusammenbricht, nur kann niemand diese Grenze genau berechnen und definieren. Man kann sogar argumentieren, dass die Grenze, die niemand kennt, noch lange nicht erreicht ist.

Die durchschnittliche Verschuldung der EU liegt bei 86 Prozent und die durchschnittliche weltweite Verschuldung bei 67 Prozent. Was spricht dagegen, wenn sich die weltweite Verschuldung verdoppelt? Recht wenig, solange die Zinskosten im Griff bleiben, es Forderungsnehmer gibt (im Zweifel die Notenbank) und die Inflation nicht explodiert. Da ältere und hochverzinste Staatsanleihen immer weiter auslaufen und gegen geringer verzinste Staatsanleihen ausgetauscht werden, bleiben die Zinskosten auf dem gleichen Niveau oder sinken sogar, auch wenn die Verschuldung insgesamt zunimmt.

Das bedeutet, dass die Schuldentragfähigkeit in der Europäischen Union die gleiche mit 172 Prozent Verschuldung des BIP sein kann wie mit aktuell 86 Prozent. Immerhin ist Japan mit aktuell 237 Prozent trauriger Schuldenweltmeister. Natürlich wäre es naiv anzunehmen, dass dies keine Nebenwirkung hat. Die Nebenwirkungen lassen sich sehr gut an der japanischen Volkswirtschaft beobachten. Seit Jahrzehnten befindet man sich in einer Deflation und der Nikkei ist immer noch weit von seinem Allzeithoch in den 80er-Jahren entfernt.

Notenbanken agieren wie Synchron-Turmspringer

Um einen Systemkollaps zu vermeiden, ist es das Wahrscheinlichste, dass sich die Weltgemeinschaft für eine Japanifizierung entscheidet. Damit diese funktioniert, ist es besonders wichtig, dass die Verschuldung der G20 synchron abläuft. Würde es jetzt eine große Nation geben, die komplett ausschert, dann würden starke Ungleichgewichte entstehen. Insbesondere auf den Außenwert der Währung hätte dies verheerende Folgen. Keine Nation hat ein Interesse, aus einem expansiven Notenbankbündnis auszutreten, da die folgende Aufwertung die heimische Exportwirtschaft ruinieren würde. Salopp formuliert: Der Streber wäre der Dumme. Aus diesem Grund musste die Schweizer Notenbank schon mehrfach intervenieren. Die Schweiz wurde damit Opfer ihrer eigenen Stabilität.

Die Notenbanken verhalten sich wie Synchron-Turmspringer, die gemeinsam in die Tiefe stürzen. Dank der hohen Interdependenzen hat keine Nation ein Interesse daran, ein anderes Land zu ruinieren, da der Schaden auch die heimische Wirtschaft betreffen würde.

Zahlen, die die Bevölkerung verunsichern können

Die Zahlen, die das Ifo-Institut am 25. März veröffentlicht hat, dürften einen ungefähren Eindruck vermitteln, welche Kosten/Schuldenlast Deutschland erwartet:

  • Shutdown für zwei Monate: 255 bis 495 Milliarden Euro
  • Wachstumsverlust BIP 7,2 bis 11,2 Prozent für das Gesamtjahr 2020
  • Abbau von bis zu 1,8 Millionen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen

Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Kosten nicht linear ansteigen. Das bedeutet, dass ein Shutdown von drei Monaten verhältnismäßig viel mehr Folgekosten verursacht als ein Shutdown von zwei Monaten. Wir dürfen nicht vergessen, dass dies nur die Zahlen für Deutschland sind.

Diese und weitere Kennziffern werden alle Notenbanken und Staaten dazu veranlassen, gemeinsam neue Verschuldungslevel zu erreichen. Mit etwas Geschick wird es EZB & Co. auch gelingen, die Inflation vorerst im Griff zu halten. Auch hier hilft das globale Synchron-Turmspringen. Die ganze Welt wertet ab und macht es damit schwieriger, Inflation zu erkennen. Zudem hilft der hohe Grad unserer globalen finanzwirtschaftlichen Vernetzung, die Effekte zu verschleiern und respektive abzupuffern. Sehr gut lässt sich dies seit mehreren Jahren an dem Preisanstieg von Aktien und Immobilien ablesen, die in den G20-Ländern deutlich angezogen haben.

Wenn Schulden obsolet werden: Der Übergang zu einer neuen Ökonomie

Nach der Corona-Krise dürfte die durchschnittliche Staatsverschuldung der G20 die 100-Prozent-Marke schnell überschreiten. Auch zehn Jahre später, im Jahr 2030, könnte die Schuldenstruktur ähnlich wie heute aussehen. Die durchschnittliche Verschuldung bei den G20-Ländern liegt dann vielleicht nicht mehr bei 89, sondern bei 200 Prozent. Auch die Kreditblase dürfte deutlich über dem heutigen Schnitt liegen. Natürlich sind dies alles Spekulationen. Niemand kann vorhersehen, ob die Schuldenblase nun platzen wird oder nicht.

Eine Chance, das System stabil zu halten, was bei einem vollständigen Platzen der Staatsanleihenblase schwierig wäre, besteht in der Hoffnung, dass sich in Zukunft unsere ökonomischen Rahmenbedingungen massiv ändern werden. Sei es, dass man stufenweise ein neues Finanzsystem errichtet, während man das alte System stabilisiert. Hier könnte die Abkehr des Zentralbanksystems hin zum privaten Geldsystem eine Rolle spielen.

Optimismus und Quantencomputer

Genauso gut kann aber auch unser ökonomisches Verständnis derartig durch digitalen Fortschritt außer Kraft gesetzt werden, dass wir Lösungen entwickeln, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. So könnten Quantencomputer mithilfe kluger Algorithmen die Wirtschaftslenkung übernehmen. Auch könnte sich grundsätzlich unser Verständnis von Geld und Schulden wandeln, indem wir in eine Datenökonomie gelangen, in der Geld nicht mehr das Tauschmittel Nr.1 ist. An dieser Stelle empfehlen sich die Bücher Homo Deus von Yuval Noah Harari oder Das Digital von Thomas Ramge . Beide Bücher geben einen guten Eindruck, wie sich Wertschöpfung und Wirtschaft in den nächsten Jahrzehnten entwickeln können.

Dass Zentralbanker alle Homo Deus gelesen haben, bleibt aber zu bezweifeln, auch wenn anders die gegenwärtige Geldpolitik nicht zu erklären ist. Das Motto ist eindeutig: Weiter machen in der Hoffnung, dass sich Lösungen ergeben, die wir heute noch nicht absehen oder begreifen können. Die Angst vor einem Systemkollaps ist verständlicherweise zu groß, als dass wir diese Hoffnung aufgeben wollen oder können.

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