Riddle&Code Car Wallets und die Verschmelzung von Mensch und Maschine – Thomas Fürstner im Interview

Das in Österreich gegründete Unternehmen Riddle&Code ist ein Urgestein im Blockchain-Sektor. Gründer und CTO Thomas Fürstner hatte bereits 2002 an Kryptographie und Tokenisierung gearbeitet. Seit 2014 entwickelt er mit Riddle&Code Schnittstellen und Hardware für die Krypto-Ökonomie, angefangen von der Automobilindustrie bis hin zum klassischen Banking-Sektor. Was der Slogan „Liberating Humans and Machines“ bedeutet, wie man Objekten eine Blockchain-Identität verschafft und warum das Thema Token Custody weit über die simple Verwahrung von Bitcoin hinausgeht, hat uns Thomas Fürstner im Interview verraten.

Sven Wagenknecht
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Interview mit Thomas Fürstner von Riddle&Code

Beitragsbild: Thomas Fürstner

BTC-ECHO: Riddle&Code ist in mehreren Branchen wie Fintech, Smart Energy und Mobility tätig. Wie kam es dazu, dass ihr heute so breit aufgestellt seid?

Thomas Fürstner: Mit Kryptographie beschäftigen wir uns sogar bereits länger als es die Blockchain-Technologie gibt. 2002 haben wir mit dem Vater der Ricardian Contracts, Ian Grigg, in Wien und London zusammengearbeitet [bei Ricardian Contracts handelt es sich um mithilfe von kryptographischen Hash-Funktionen abgesicherte Verträge, Anm. d. Red.]. Damals ging es um tokenisierte Kunst. Über Ian Grigg bin ich sodann auf die sogenannte Financial-Cryptography-Liste gekommen – und bin darüber 2008 auf die Rohversion des Satoshi-Papers gestoßen. 2010 habe ich beschlossen, mich auf Blockchain-basierte Abbildungen physischer Assets zu spezialisieren. 2011 habe ich dann einen Commodity Fund aufgesetzt, bei dem wir versucht haben, physische Assets wie seltene Erden mit digitalen Coins wie Bitcoin zu kombinieren und diese auf den Finanzmärkten zu lancieren. Der Markt war dafür aber noch nicht reif.2014 haben wir damit begonnen, ASIC-Chips zu evaluieren und an physische Objekte anzubringen. Das war der Beginn von Riddle und Code – seitdem können wir Objekte an die Blockchain anschließen und managen. Dadurch ergeben sich mannigfaltige Möglichkeiten. Etwa arbeiten wir mit Daimler an einer Car Wallet.

BTC-ECHO: Euer Slogan lautet Liberating Humans and Machines. Kannst du bitte erklären, was damit gemeint ist?

Thomas Fürstner: Stell dir ein Objekt vor, das überhaupt keine Fähigkeiten hat. Mit unserem Chip bekommt das Objekt nun aber eine Identität und kann kryptographische Anfragen beantworten und stellen. Wenn das Objekt zum Beispiel mit der Identität Thomas Fürstner zu tun hat, haben wir eine neue Beziehung zwischen einem Objekt und einem Subjekt. Dadurch, dass dieses Objekt jedoch vernetzt ist, kann es Anfragen selbstständig beantworten. Handelt es sich dann noch um ein Objekt oder bereits um ein Subjekt? Je mehr Objekte wir intelligent machen, desto wichtiger wird es sein, dass auch diese Art der Kommunikation zwischen Mensch und Objekt sowie Objekten untereinander nachvollziehbar wird.

BTC-ECHO: Stimmt, wir müssen alle digitalen Objekte mit einer Identität verbinden – ansonsten gibt es Probleme. Könntest du konkretisieren, wo die Hindernisse in Sachen Identitätslösungen mithilfe der Blockchain liegen?

Thomas Fürstner: Das großartige an der Blockchain ist, dass sie Standards in Bereichen schafft, wo Firmen sie sonst nicht finden würden. Bei den physischen Komponenten ist es allerdings so, dass die Darstellung der Identität noch nicht standardisiert ist. Schließlich unterstützen die klassischen Blockchains bisher noch keine Identity-Modelle. Zwar kannst du Identities über Public Keys abbilden. Die wirklichen Identity-Systeme wie Decentralized Identifier oder eID sind nicht miteinander kompatibel. Du siehst, dass hier die technischen Voraussetzungen zu unterschiedlich sind. Das Identitäts-Tracking in den ursprünglichen Blockchain-Implementierungen war eigentlich nie angedacht. In erster Linie geht es bei der Blockchain um Werte und das Verschieben von Werteinheiten. Es ist sehr schwer, in alte Systeme erweiterte Technologien wie Identity-Lösungen einzubauen. Es gibt zwar auch in Deutschland eine Reihe von Firmen, die sich mit BlockchainIdentitäten beschäftigen. Aber jedes Unternehmen nutzt ein vollkommen anderes System.

BTC-ECHO: Ihr seid nun auch im Bereich Custody aktiv. Wie stellt ihr euch da auf? Wie geht ihr an das Thema Custody heran?

Thomas Fürstner: Der erste Punkt ist, dass wir wirkliche Custody Hardware bauen. Das unterscheidet uns von anderen Mitspielern am Markt. Wir sind, wenn du so willst, die institutionalisierte Form von Trezor und Ledger. Denn einerseits stellen wir Hardware Wallets her. Andererseits bieten wir aber auch Cloud-basierte Systeme an. Unsere Custody-Lösung hat drei Ebenen:

Erste: Für Privatbanken und Family Offices gibt es bei uns die Möglichkeit, reguliert Krypto-Assets zu handeln. Da Krypto-Assets als Hochrisiko-Anlageklasse gelten, darfst du sie für High Networth Individuals handeln. Der Punkt ist aber, dass du für diese Assetklasse die achtfache Menge an Fiatgeld in Reserve halten musst. Es sei denn, du erfüllst bestimmte Regulierungsauflagen. Wir haben dann ein System gebaut, dass diese Auflagen unter DSGVO-Berücksichtigung automatisch überwacht.

Zweite: Die meisten Trades müssen ab einem bestimmten Stellenwert nach dem Vieraugenprinzip funktionieren. Das heißt, es muss nachgewiesen werden, dass mehr als ein Trader eine Transaktion beglaubigt hat. Normalerweise macht man das mit MultiSig. Aber MultiSig ist nur in wenigen Kryptowährungen verfügbar. Wir haben das Problem gelöst, indem wir Hardware Wallets attestiert haben. Das heißt, jedes Gerät weiß voneinander. Das nennen wir Quorum. Das Quorum sagt, eine Transaktion ist nur dann echt, wenn sie von allen Geräten im Quorum gezeichnet wurde. Erst dann geht die Transaktion ins Netzwerk. Damit erfüllen wir alle Auflagen.

Dritte: Das nächste Problem ist, dass viele Kunden mehr als 20.000 Transaktionen pro Tag machen wollen. Dabei wollen wir unsere Standards wie KYC, AML und das Auditing aufrechterhalten – das ist aber wahnsinnig schwierig. Schließlich sind Hardware Wallets für diesen Output zu langsam. Stell dir vor, du installierst Car Wallets in einer Million deutscher Autos. Keines der bekannten Systeme kann den entstehenden Output leisten. Wir haben eine Lösung gebaut, die 23.000 Transaktionen pro Sekunde schafft.

BTC-ECHO: Kannst du hier einmal ausführen, inwiefern Thema Custody auch etwas mit der Maschinen-Ökonomie hat?

Thomas Fürstner: Ein Beispiel: Im Bereich der Stahlproduktion gibt es Geräte, die Daten produzieren. Viele dieser gelieferten Daten sind an sich bereits wertvoll. Jedes Stück Stahl passiert in seinem Produktionszyklus mindestens zwanzig Intermediäre, bis es vollendet ist. Wichtig ist dabei, die Kette zurückverfolgen zu können. Wenn man an diesen Maschinen nun Krypto-Chips einbaut, lässt sich die Lieferkette des Stahls eindeutig feststellen. So bauen wir eine Root of Trust [etwa: Vertrauensbasis, Anm. d. Red.] auf Blockchain-Basis. Sodann könnte man auch für jedes Stück Stahl einen neuen Token emittieren und auf der Blockchain abbilden.

BTC-ECHO: Zum Verständnis: Sprichst du dabei von Utility Token? Es geht vor allem darum, eine Art Recheneinheit in einem System von Maschinen zu schaffen, damit diese nicht mehr manipuliert werden können, oder?

Thomas Fürstner: Genau. Wir sagen, du hast jetzt hier Werteinheiten, die nicht für eine Exchange gedacht sind, aber trotzdem einen hohen Wert haben. Schließlich werden sie gemeinsam mit den Daten in ein Produkt gegossen. Diesen Wert musst du natürlich durch deren Authentizität besichern. Denk etwa daran, was in Genua mit der Brücke passiert ist. Dort hat der Riss eines Stahlseils den Einsturz ausgelöst – und kein Mensch weiß, woher der Stahl kam. Geschweige denn weiß man, wo derselbe Stahl noch verbaut ist. Durch die Blockchain können wir genau für diese Sicherheit sorgen.

BTC-ECHO: Ist es nicht noch ein weiter Weg, bis wir die Blockhain-Technologie für derartige Prozesse nutzen können? Wo stehen wir hier aktuell?

Thomas Fürstner: Ich kann nur sagen: Der Markt reagiert auf die Veränderungen der Digitalisierung. Gerade, wo der Markt auf die zunehmende Kommerzialisierung von Daten setzt, sehen wir großes Potenzial. Es gibt ja mittlerweile Maschinen, die ohne Daten überhaupt nicht mehr funktionieren. Stichwort autonom fahrende Autos. Da ist die Integrität der Daten enorm wichtig. Denn wenn ich ein selbstfahrendes Auto nutze, will ich wissen, wo die Daten herkommen. Das Potenzial von verteilten Systemen und Kryptographie ist in diesem Bereich gewaltig.

BTC-ECHO: Gibt es dafür nicht noch einen Mangel an kompatibler Hardware?

Thomas Fürstner: Ja und Nein. Firmen, die Smart Cars produzieren, nehmen die Chips, lösen sie heraus und verbinden sie mit klassischen industriellen Bussystemen. Die nächste Generation von IoT-Chips sind zwar einsatzbereit, haben aber keine Anbindungen an Blockchain-Systeme. Für uns ergibt sich dadurch ein riesiges Marktpotenzial. 

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