Blasen im Blockchain-Ökosystem – eine kritische Betrachtung

Ohne “Bitcoin ist eine Blase” erneut zu bemühen – was für Entwicklungen in der Kryptowelt haben einen Blasencharakter?

Dr. Philipp Giese
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Eine Kolumne von  Dr. Philipp Giese

Die letzten Wochen waren mal wieder stark von Tulpenzwiebeln, Blasen und, wie in der Krypto-Szene oft gesagt wurde, “FUD” geprägt. Fear, Uncertainty and Doubt wurden von verschiedenen Medien und medienwirksamen Personen verbreitet. So wurde wieder und wieder die Tulpenblase als Vergleich herangezogen, Bitcoin wird unterstellt, ein Pyramiden- oder Schneeballsystem zu sein und Bitcoin wird – längst nicht zum ersten Mal – für tot erklärt.

Der Zyniker in mir kann hier zwei amüsante Entwicklungen sehen: So hat die Tulpenblase als apokalyptisches Mahnmal über die Zukunft Bitcoins und der Kryptowährungen die Dotcom-Blase abgelöst. Anscheinend haben die Alarmisten inzwischen mitbekommen, dass, etwas langfristiger gedacht, die Dotcom-Blase zwar übel war, die New Economy sich jedoch trotz der Finanzkrise 2008 erholt hat. Ebenso ist das Bild, welches vor einigen Monaten ständig gepostet wurde, inzwischen fast vergessen:

Auch hier haben jene, die das Bild zur finsteren Vorhersage eines Crashes verwendeten, gemerkt, dass der Wert in dieser Darstellung – auch ohne die Blase! – gestiegen war. Es brauchte also ein neues Bild und so reden jetzt alle von der Tulpenblase, dem Tulpenfieber. Hier hat man es, ähnlich wie bei der Südseeblase, tatsächlich mal mit einer vollkommen geplatzten Blase zu tun, der Wert der Tulpen ist immer noch weit unter den damaligen Höchstpreisen.

Auf verschiedene Weise wollen Leute darstellen, dass “Bitcoin keinen intrinsischen Wert” habe und deshalb vollkommen platzen würde. Dasselbe Argument wird bei anderen Kryptowährungen genannt – zumindest wenn es nicht um Blockchain-Plattformen wie Hyperledger geht, die für verschiedene DLT-Anwendungen genutzt werden können.

Vor einiger Zeit habe ich Bitcoin mit Gold verglichen und bin damit der Frage nach dem Wert von Bitcoin nachgegangen. Ziel dieses Artikels ist deshalb nicht, eine Kritik an diesen ständig wiederholten Schauergeschichten der “Blase Bitcoin” zu wiederholen – Bitcoin ist zu stabil und wird sowohl als Wertanlage als auch als Währung inzwischen weltweit genutzt, als dass hier von einem kompletten Wertverlust ausgegangen werden kann. Andere Kryptowährungen wie DASH oder Monero haben ebenfalls ihre eigenen Nischen, in denen sie auch stark genutzt werden.

Diese Kolumne hat das Ziel, über tatsächliche oder zumindest mögliche Blasenentwicklungen in der Welt der Kryptowährungen zu diskutieren. Uns in der Kryptocommunity muss nämlich klar sein, dass weder ein unreflektierter Pessimismus noch ein ebenso unreflektierter Optimismus eine vernünftige Haltung ist. Es ist weder zielführend, bei jedem kleinen Dip “Crypto is dead” zu rufen noch hilft es weiter, bei Bedenken welcher Art auch immer sofort mit “Stop spreading FUD” zu antworten.

Betrachten wir also einige Entwicklungen, die meiner Meinung nach tatsächlich einen Blasencharakter haben:

  • das inflationäre Aufkommen an jungen Krypto-Experten
  • ICOs, deren White Paper (sofern vorhanden) vor allem maximalistische Absichtserklärungen sind
  • Airdrops und Proof of Stake im Sinne des profitorientierten Coin-Haltens
  • aktuell das Einkaufen in Bitcoin, um von einem Hard Fork zu profitieren.

Diese vier Punkte sollen nun betrachtet werden.

The Rise of the Crypto-Experts

Bevor sich jemand auf den Schlips getreten fühlt, möchte ich einschränken, um wen es nicht geht. Nein, damit meine ich am wenigsten die vielen neu aufgekommenen Weblogs, Videokanäle, Podcasts oder sonstigen Medienformate. Im deutschsprachigen Bereich haben sich verschiedene Plattformen gebildet, die ich mit großem Mehrwert lese und dessen Teams ich hoffentlich auf der einen oder anderen Veranstaltung die Hand schütteln werde. Es geht also keineswegs um das Abwatschen irgendwelcher Konkurrenz oder ähnliches.

Es geht auch nicht pauschal um das Aufkommen von Trading-Experten, die vor drei Monaten in Bitcoin investiert haben und nun ordentlich Gewinn gemacht haben. Das ist gut und extrem lobenswert – auch wenn es, Hand aufs Herz, im Jahr 2017 eher schwer war, Verlust zu machen. Auch hier geht es absolut nicht um Meinungsäußerungen in Foren. Es ist vollkommen in Ordnung und eine Bereicherung, auf Facebook, in Slack-Channels oder ähnlichem zu schreiben, warum man ein Coin xy für ein gutes Investment hält.

Worum es geht? Man kann es mit bestimmten Coin-Empfehlungen beschreiben. Der zwanzigste Post “Buy xxxyyyzcoin. Thank me later” wäre ein passendes Beispiel. Derartige Äußerungen werden auch als shill bezeichnet. Hinter derartigen Äußerungen steht oft der Versuch, einen Coin, in den man irrtümlicherweise investiert hat, durch einen Pump genügend hoch zu bekommen, um so doch noch mit Profit aus dem Coin zu steigen.

Wenn genügend Leute auf derartige Äußerungen reinfallen – was bei kleineren Coins schnell passieren kann – dann hat man es hier mit einer self-fulfilling prophecy zu tun: Der Kursanstieg, der natürlich auch für jene Investoren profitabel war, die früh auf den Aufruf zum Kauf des Shitcoins gehört haben, wird als Bestätigung der Reputation des Schreibers gewertet. Er brauchte damit weder eine fundamentale Analyse noch eine Chartdiskussion zu liefern – ein “Kauft und dankt mir später” reichte aus.

Andere machen aus derartigem Shilling ein wirkliches Geschäft. Sie verkaufen Kurse auf Udemy über das Handeln auf Exchanges ohne Kenntnis von wichtigen Tools zur Einschätzung des Kurses. In dem zitierten Kurs wird recht häufig das damalige Gerücht, dass Minecraft Digibyte integrieren möchte, zitiert. Ebenso gibt er offen zu, dass “man selbst dem Coin Wert verleihen kann” – indem man beispielsweise auf Youtube für denselben Werbung macht.

Suppoman, der ursprünglich Videos dazu machte, wie man mit Udemy-Kursen Geld verdienen kann, hat vor einem halben Jahr mit Videos über Investment in Kryptowährungen begonnen – und sehr schnell auch einen Kurs dazu angeboten. Er ist längst nicht der einzige, dessen Geschäftsmodell der Hype von unbekannten Coins ist. Erst vor Kurzem wurde ich von einer anderen entsprechenden Koryphäe auf einen Telegram-Channel hingewiesen, in dem der Investment-Experte seinen Followern den Kauf von Buzzcoin ans Herz legte.

Buzzcoin ist ein Coin, welcher einen unglaublichen Pump erlebte, nun jedoch bei einem Preis unter seinem Eingangspreis herumdümpelt. Bei Buzzcoin, einem Coin, dessen einziger Point of Sale ein monatlicher 100 % Proof of Stake ist und der aktuell Rang 974 auf Coinmarketcap innehat, ist ein Kandidat, der in diesem Artikel noch einmal betrachtet wird.

Nun mag man sagen, dass Leute, die auf die Pferde von Suppoman und anderen setzten, Profit machten. Aus dem Blickwinkel betrachtet könnte man kein Problem sehen. Mein persönliches Problem ist nicht nur, dass ich bei den Kursanalysen oder den New Coins on the Block einen anderen Anspruch habe. Ich weise nicht auf Projekte hin, weil ich darin einen Stake habe, mich interessiert die Technik oder Idee hinter den Coins. Sollte ich diese nicht sehen, weise ich auch darauf hin.

Mein Hauptproblem ist ein größeres: Das Shilling ist tatsächlich nichts anderes als eine Blasenbildung, die weniger von wirklichen technischen Innovationen als der Aussicht nach Geld geprägt ist. Da Leute von ihren Gewinnen auch was haben wollen, halten entsprechende Kursanstiege nicht lange.

ICOs ohne White Paper – “besser als Bitcoin”

ICOs sind eine wahnsinnig tolle Sache. Durch Initial Coin Offerings (ICOs) können Unternehmen sehr schnell das nötige Kleingeld für ihr Projekt erhalten. Ebenso steht es nun wirklich jedem frei, früh in erfolgversprechende Projekte zu investieren. Crowd Funding und Crowd Investing wurde dank ICOs auf ein neues Level gehoben. Insgesamt bin ich deshalb ein großer Freund der Token Economy.

Jedoch muss man bei den Möglichkeiten der Token Economy auch ihre Schattenseiten sehen. Dass es im ICO-Bereich schwarze Schafe gab, und dass so manches White Paper – sofern vorhanden – nicht mehr als eine Absichtserklärung waren, ist bekannt. Ich bin deshalb bei Projekten, die das neue Bitcoin oder das neue Ethereum sein wollen, sehr skeptisch.

Sicherlich haben beide Systeme ihre Schwächen, es ist jedoch für ein Projekt, welches gerade einmal ein White Paper geschrieben hat, auch ein leichtes, über Dinge wie Mempool, Transaktionsgebühren oder Confirmation Times zu schimpfen.

Das vorgeschlagene, womöglich innovative System muss jedoch noch seine Vorteile gegenüber Systemen, die weltweit genutzt werden, darstellen. Das bedeutet in dem Stadium, dass der Lösungsweg prüfbar beschrieben werden muss, um seine Innovationshöhe, seine Vorteile und seine Machbarkeit bestätigen zu können. Eine Zielsetzung im Sinne von “Wir werden schneller als andere Systeme sein” reicht nicht aus.

Was haben halbgare ICOs mit Blasenbildung zu tun? Das Stichwort an der Stelle ist FOMO – die Angst, wieder etwas zu verpassen. Ich denke, dass so mancher Leser diese Geschichte kennt: Als man das erste Mal von Bitcoin gehört hat, hatte man nicht investiert – man wäre jetzt Millionär, wenn man doch nur 1.000 Euro in Bitcoin investiert hätte!

Diesen Fehler möchte man wieder gutmachen. Und so hofft man auf ein Projekt, welches, nachdem man viel Geld investiert hatte, wie eine Mondrakete steigt und den Investor zum Millionär macht. Das ist vollkommen legitim. Nur sollte man sich nicht von einem White Paper, welches nur eine Absichtserklärung ist, blenden lassen. Noch weniger sollte man auf Projekte geben, deren großer Selling Point im Schaufeln weiterer Coins besteht.

Das Projekt Electroneum hat vor Kurzem in einem ICO 40 Millionen US-Dollar eingenommen. Ein Claim, den das Projekt machte, war, dass man über Smart Phones dieselbe “Mining-Experience” haben könnte wie es Leute beim klassischen Mining haben. In einem inzwischen erschienen technischen White Paper stellen sie konkreter dar, dass es hier nicht darum gehe, dass auf Smart Phones Mining betrieben werden würde, sondern dass an jene mit einer Mobile Wallet des Öfteren Geld ausgeschüttet wird.

Man hat es also mit etwas wie einem Faucet zu tun. Auch hier war für die Investoren eher der Gedanke des schnellen Profits durch eine Mobile Wallet denn technische Innovation oder gesellschaftliche Disruption Grund für das Investment.

Airdrops und Proof-of-Stake – HODL for Profit

Electroneums Konsens ist zwar ein Proof-of-Work-Konsens, dennoch kommt man von der Betrachtung dieses ICOs zum nächsten Punkt: Zwei Trends, die ich gerade bei der Kolumne New Coins on the Block sowie bei der Betrachtung verschiedener ICOs bemerkte, sind das Aufkommen des Proof-of-Stake-Konsens und die Nutzung von Airdrops.

Gegen Proof-of-Stake ist absolut nichts zu sagen; vom ressourcen-schonenden Aspekt her betrachtet ist der durch Proof-of-Stake erzeugte Konsens zu bevorzugen. Ebenso ist die Anfangshürde hinsichtlich der Sicherung des Netzwerkes deutlich geringer – es braucht lediglich Geld in der eigenen Wallet gehalten zu werden. Airdrops haben als Promotion-Aktionen, um einen Coin bekannt zu machen, sicherlich ebenso ihren Zweck.

Ein Problem bei beiden Systemen ist, dass sowohl von der Investorenseite her als auch von den Projekten selbst der Fokus häufig zu stark auf den schnellen Profit gelegt wird. Es geht Investoren dann weniger um ein Alternativsystem für Geld oder eine Plattform für Smart Contracts und dezentrale Anwendungen, sondern um eine Geldmachmaschine.

Die schon erwähnte Kryptowährung Buzzcoin hat quasi als einziges Investargument den Gedanken, dass es einen Staking Reward von 100 % geben soll. B3 Coin gehen noch einen Schritt weiter und versprechen einen Reward von bis zu 10.000 %. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Bitconnect Coin, ein Altcoin, welches kürzlich in die Top Ten aufgestiegen ist. An anderer Stelle habe ich mich mit dieser Kryptowährung kritisch auseinandergesetzt.

Natürlich kann jeder durch derartige Coins sich selbst eine goldene Nase verdienen. Man sollte sich nur bewusst machen, dass die so gewonnenen Profite tatsächlich aus dem Nichts erwirtschaftet wurden, wenn das unterstützte System keinen wirklichen Problemfall löst.

Kaufe Bitcoin für Bitcoin Gold!

Eine Blase besonders großen Ausmaßes kann man aktuell durchaus bei Bitcoin sehen. Ich bin der Letzte, der sich nicht darüber freut, dass Bitcoin aktuell über 5.000 Euro Wert liegt und ich denke, dass auf lange Sicht hier sogar noch Luft nach oben ist!

Jedoch muss uns klar sein, dass der aktuelle Anstieg zu einem großen Teil mit Bitcoin Gold zu tun hat. Bitcoin Gold ist eine Hard Fork von Bitcoin, über die in der letzten Zeit viel gesprochen wurde. Selbst wenn die Gerüchte, dass die Hard Fork schon lange abgeschlossene Sache ist, falsch wären, muss einem klar sein, dass der aktuelle Preisanstieg nach dem 25. Oktober so nicht weitergehen wird.

Leute werden ihre Gewinne auch mal einlösen und in Fiat umwandeln, andere werden die Gelegenheit, aktuell billige Altcoins zu kaufen, nutzen und insgesamt wird Bitcoin wieder fallen. Sollte das Gerücht stimmen, dass Bitcoin Gold premined ist, haben Leute tatsächlich in eine Blase investiert.

Sie haben dann zwar durchaus den Profit von Bitcoin mitgenommen, aber das zusätzliche Geld, das man sich durch den Hard Fork erhofft hat, gibt es dann nicht. Gerade unter dieser Gruppe Investoren wird es einige geben, die das Geld wieder in Fiat umtauschen werden.

Kryptowährungen – keine Blase, sondern ein Schaumbad!

“PHILIPP, HÖR AUF, FUD ZU VERBREITEN!” höre ich einige rufen. Darum geht es mir jedoch nicht. Ich bin mir sicher, dass der Wert des Altcoin-Ökosystems noch steigen wird. Es wird weiterhin gute Initial Coin Offerings geben und auch Bitcoin hat noch eine Menge Potential.

Mein Ziel ist eher eine gewisse Sensibilisierung: Auch wenn es beim Investment um Profit geht, sollte man von Projekten, die nichts anderes als Profit versprechen, die also kein wirkliches Problem lösen, die Finger lassen. Und derartige Projekte gibt es im Bereich der Kryptowährungen viele!

Ist also die Welt der Kryptowährungen eine einzige Blase? Nein – sie ist ein Schaumbad. Das klingt nach einem unglaublich negativen Statement, jedoch meine ich das eher positiv: Mit über tausend Kryptowährungen und Token, die man auf verschiedensten Exchanges kaufen kann, und ständig neuen Initial Coin Offerings, in die man Geld investieren kann, muss einem klar sein, dass es immer wieder auch Blasen geben wird.

In der Hinsicht sind Kryptowährungen ein Konglomerat mit vielen Blasen – ähnlich einem Schaumbad. Doch wie ein Schaumbad auch nicht durch das Zerplatzen einzelner, gegebenenfalls sogar großer Blasen verschwindet, wird auch die Welt der Kryptowährungen nicht durch diese Blasen verschwinden!

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