Bitcoin-Steuer: Alles zu privaten Veräußerungsgewinnen

Wie war das mit der Besteuerung von Bitcoin? Alles, was man zur aktuellen Rechtslage rund um das Thema Kryptowährungen & Steuern wissen muss. Ein Gastbeitrag von Oliver Christian Schroen, Dipl. Betriebswirt (FH), Steuerberater bei der Peter & Partner Treubilanz Steuerberatungsgesellschaft, Berlin.

Oliver Schroen
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Bitcoin-Steuer-Spezial

Beitragsbild: Shutterstock

Wenn eine Privatperson Bitcoin & Co., also Coins oder Token, die als Kryptowährung zu beurteilen sind, kauft, und innerhalb von 12 Monaten wieder verkauft, muss sie die steuerlichen Folgen prüfen.

Es ist zunächst der wirkliche Tatbestand zu erhellen und sodann zu prüfen, ob eine Besteuerung auch verfassungskonform ist oder eventuell ein „strukturelles Vollzugsdefizit“ vorliegt.

Tatbestand bei der Bitcoin-Steuer

Wenn der Tatbestand erfüllt ist, nämlich die Anschaffung und gewinnbringende Veräußerung von sonstigen Wirtschaftsgütern innerhalb von 12 Monaten, dann folgt hieraus – bei Überschreiten der Freigrenze in Höhe von 599,99 € – grundsätzlich die Steuerpflicht (§ 22 und 23 des Einkommensteuergesetz). Hierbei soll auch als Verkauf gelten, wenn die Coins/Token gegen andere Coins/Token getauscht werden oder mit ihnen Waren oder Dienstleistungen eingekauft werden. Zurzeit gehen die Finanzämter davon aus, dass es sich bei den o.g. Coins/Token um Wirtschaftsgüter handelt. (Für Immobilien gilt etwas anderes).

In allen Fällen, in denen jedoch ein Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt ist, also die Veräußerung erst nach Ablauf von 12 Monaten stattfindet oder es sich bei den veräußerten Coins/Token nicht um diese sonstigen Wirtschaftsgüter handelt, greift die Steuerpflicht nicht. Hat jemand die Bitcoins oder andere Token geschenkt bekommen, also nicht selbst angeschafft, so gilt für die Berechnung der 12-Monatsfrist der Anschaffungszeitpunkt und der Anschaffungspreis des Schenkers.

Entscheidend bei der steuerlichen Beurteilung ist, dass man den vorliegenden Tatbestand einer Tatbestandskategorie zuordnen muss, da man nicht für jeden Einzelfall ein eigenes Steuergesetz schaffen kann. Somit muss steuerlich für die Beurteilung eines gleichen Tatbestandes auch das gleiche Steuergesetz angewendet werden. Was für Bitcoin gilt, muss für alle anderen Kryptowährungs- Coins/-Token auch gelten. Sollen Unterschiede in der Besteuerung gelten, muss man eine unterschiedliche Kategorisierung auch tatbestandlich fundiert begründen.

Technischer Hintergrund der Bitcoin-Steuer

Wenn man den vorigen Absatz liest, bekommt man leicht den Eindruck, dass es sich bei Coins/Token um ganz reale – vielleicht sogar gegenständliche – Dinge handele. Hier liegt aber das Problem.

Deshalb erfolgt zunächst eine kurze sehr vereinfachende technische Darstellung. Gemäß dem Bitcoin White Paper ist ein Coin nichts anderes als eine Signaturkette, die irgendwann beginnt. Beim sogenannten „Verkauf“ von Bitcoin signiert der „Verkäufer“ mit seinem Private Key einen Transaktionswunsch und sendet diesen an die Miner der Blockchain.

Ein oder mehrere Miner kann/können diesen Transaktionswunsch in ihren Block aufnehmen. Ein Miner fügt seinen Block am Ende der Blockchain an, wenn er eine bestimmte Rechenaufgabe (Proof of Work) als erster gelöst hat. Hatte dieser Miner auch den o.g. Transaktionswunsch in seinen Block aufgenommen, so ist die Transaktion nun vorläufig erfolgreich. Sie wird endgültig erfolgreich, wenn die Korrektheit dieses Blocks von den an der Blockchain-Beteiligten bestätigt wurde. Davon ist auszugehen, wenn mindestens sechs weitere Blöcke ans Ende der Blockchain hinzugefügt wurden.

Was wird beim „Verkauf von Bitcoin“ verkauft?

Es wird weder ein Coin (=Signaturkette s.o.) noch ein körperlicher Gegenstand oder ein Recht gegenüber irgendjemandem, verkauft. Der „Verkäufer“ hat mit seiner Signatur lediglich dafür gesorgt, dass nun der „Käufer“ die Möglichkeit erhält, einen Transaktionswunsch zu signieren und an die Miner zu senden. Unzweifelhaft wird für diese Möglichkeit Geld bezahlt, zumindest bei der Bitcoin Blockchain. Ob diese Möglichkeit für den „Käufer“ jedoch gewinnbringend sein wird, ist ungewiss, denn er muss jemanden finden, der bereit ist, ihm für diese Möglichkeit wiederum etwas zu bezahlen. Dies ist gerade bei den unbekannten Coins/Token überhaupt nicht selbstverständlich.

Diese Möglichkeit kann man unter Umständen sogar als Vermögenswert bezeichnen. Manche Unternehmen zahlen für die Vermittlung von Arbeitnehmern an Headhunter fünf- bis sechsstellige Eurobeträge. Hier wird auch nur für eine Möglichkeit bezahlt, dass der zukünftige Arbeitnehmer einen gewinnbringenden Beitrag für das Unternehmen leistet. Dennoch würde niemand die Headhunter-Provision als Wirtschaftsgut beurteilen. Aber nicht alles, wofür Geld bezahlt wird, ist ein Wirtschaftsgut im steuerlichen Sinne. Und nur darauf kommt es hier an!

Kommunikation

Es ist äußerst wichtig, den wirklichen Tatbestandes herauszuarbeiten, wenn Menschen, die mit Cryptocurrency-Coins/Token zu tun haben (Kryptomenschen) mit Menschen sprechen, die die steuerlichen Folgen prüfen sollen (Steuermenschen).

Die Kryptomenschen versuchen den Steuermenschen das Virtuelle zu erklären, verwenden hierbei Ausdrücke und Bilder aus der so genannten Realwelt, also der Erfahrungswelt, die sich vor allem an der Evidenz der Sinneserfahrung orientiert. Sie beschreiben die virtuellen Abläufe mit goldenen Bitcoin-Abbildungen (als Abbildung von Signaturketten?) und mit Geldbörsen (Wallets), also dem, was gesehen und angefasst werden kann.

Eine Signaturkette (Coin) kann auf diese Weise nicht abgebildet werden und eine Geldbörse benötigt man für das Verständnis auch nicht, denn die einfachste Wallet ist die Brain Wallet. Und, dass im jeweiligen Brain (Gehirn) eines Kryptomenschen kein Coin zu finden ist, dürfte auch jedem einleuchten. Lediglich der Private Key (Zeichenfolge) für die Signatur eines Transaktionswunsches muss in der so genannten Wallet. z.B. Brain Wallet gespeichert sein. Wenn man seine Zuhörer nicht überanstrengen möchte, kann man sich natürlich der Erklärungsmuster und Beispiele aus der vorvirtuellen Welt bedienen, muss aber mit ggf. folgenreichen Missverständnissen leben.

Steuerliche Folgen der Bitcoin-Veräußerung

Wenn der Kryptomensch aber möchte, dass nur die zutreffenden steuerlichen Folgen eintreten, sollte er nicht schon dann aufhören, den Tatbestand zu erläutern, wenn er den ersten Eindruck gewonnen hat, dass der Steuermensch ihn verstanden zu haben scheint, er sollte dies besser in geeigneter Weise überprüfen. So kann es beispielsweise entscheidend sein, ob im konkreten Fall wirklich nur Kryptowährungs-Coins/-Token oder auch Utility Token, Security Token oder Equity Token „im Spiel“ sind. Gleiches gilt, wenn es sich bei den Kryptowährungs-Coins/-Token auch um welche handelt, bei denen man sich zugleich ein Recht auf Rücktausch – z.B. zu einem festen Rücktauschkurs, ggf. an Fiat gekoppelt – mit erwirbt.

Kann man sich gegen die Besteuerung von Bitcoin wehren?

Nachdem der Steuerpflichtige seine Steuererklärung beim Finanzamt eingereicht hat, fertigt die Exekutive, das Finanzamt, einen Steuerbescheid. Gegen diese kann sich der Bürger wehren, z.B. mithilfe von Rechtsanwälten oder Steuerberatern. Somit steht der Meinung der Exekutive ggf. die des Steuerbürgers entgegen.

Die Exekutive äußert ihre Meinung häufig in so genannten BMF-Schreiben, welche jedoch nur für sie selbst bindend ist und den Zweck hat, dass die Finanzämter einheitlich handeln. Darauf muss sich der Steuerpflichtige einstellen. Weder ein Steuerbürger noch die Judikative, die Finanzgerichte, müssen die Meinung der Exekutive akzeptieren. Wird keine Einigung zwischen Steuerbürger und Exekutive erzielt, ist zunächst der Entscheidung der Exekutive Folge zu leisten (Obrigkeit). Dennoch kann der Steuerbürger gegen den Steuerbescheid vor dem Finanzgericht gegen die Entscheidung des Finanzamts klagen.

Will der Steuerbürger in seiner Steuererklärung von der Meinung der Exekutive abweichen, muss er dies in seiner Erklärung kenntlich machen und erläutern (Freitextfeld in Zeile 98 auf Seite 4 des Einkommensteuerhauptformulars  2018ESt1A014NET). Er muss dann aber mit Widerstand der Exekutive rechnen.

Verstehensproblem und Verständigungsmöglichkeit

Sowohl bei der Exekutive als auch bei der Judikative entscheiden Steuermenschen. Ein Steuerberater, der sich mit den Abläufen in der virtuellen Welt nicht befassen will, kann entsprechende Mandate ablehnen, die Exekutive und Judikative kann dies nicht.

Somit kommt es für die korrekte Besteuerung entscheidend darauf an, dass die betroffenen Kryptomenschen den Steuermenschen, insbesondere in der Exekutive und Judikative, den virtuellen Tatbestand hinreichend vollständig und nachvollziehbar erklären. Es muss nicht jede technische Einzelheit erläutert werden.

Manche Unschärfen im Verständnis können vernachlässigbar sein, andere nicht. Diese Verständigung bedeutet für die Kryptomenschen – zumindest heute noch – eine nicht zu unterschätzende Kraftanstrengung. Aber auch die Steuerberater haben es nicht immer leicht, den Kryptomenschen zu erklären, weswegen die Exekutive oder Judikative eine Besteuerung für gerechtfertigt hält und dass letztlich nur die Judikative endgültig anhand der gegebenen Gesetze entscheidet und BMF-Schreiben keinerlei Gesetzesrang haben.

Da zur kommunikativen Verständigung i.d.R. mindestens zwei Beteiligte gehören, und die Exekutive und Judikative den Tatbestand, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpft, ermitteln muss, wäre es zu wünschen, dass auf allen Seiten so etwas wie eine „intellektuelle Empathie“ praktiziert würde. Diese, von Günter Abel auch als „konstruierende Nachsicht“ beschrieben,

bestünde zunächst darin, sich von den symbolisierenden Zeichen und Äußerungen der anderen Person überhaupt affizieren, sich gegenüber einer anderen Person und einem (sei es formalen, sei es materialen) Gehalt zu öffnen und sich etwas sagen oder zeigen zu lassen. Sodann wäre für sie kennzeichnend, daß [sic] sie das Fremde und individuell Andere an der anderen Äußerung und Person, mithin eine andere Interpretation als andere anerkennen kann, ohne sie unter den eigenen Interpretations-Horizont zwingen zu wollen. Dies schlösse auch die Möglichkeit ein, daß [sic] mit der Äußerung und Zeichenverwendung der anderen Person etwas Wahres verbunden sein könnte, obzwar man selbst, d.h. unter Anwendung der eigenen Standards, zur Zeit und bei bestem Willen dieses nicht oder noch nicht sehen kann. (Abel Günter, Interpretationswelten. Gegenwartsphilosophie jenseits von Essentialismus und Relativismus, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1993, S. 415)

Zur Vertiefung der rein steuerlichen Argumentation siehe auch: Schroen, DStR, Heft 29 vom 29.06.2019, Seiten 1369 – 1375, „Sind „Bitcoin und Co.“ Wirtschaftsgüter gem. der gefestigten BFH-Rechtsprechung?“

Strukturelles Vollzugsdefizit bei der Bitcoin-Steuer?

Selbst wenn letztendlich Einigkeit darüber entstehen würde, dass Kryptowährungs-Coins/Token wie etwa Bitcoin steuerlich als/wie Wirtschaftsgüter zu beurteilen seien, könnte eine Besteuerung noch an einem „strukturellen Vollzugsdefizit“ scheitern. Vereinfacht ausgedrückt, wäre dies der Fall, wenn der Staat keine Regularien vorgesehen hat, für eine grundgesetzkonforme Besteuerung zu sorgen.

Dann wäre praktisch nur der Ehrliche der Dumme, weil er seine Krypto-Gewinne erklärte, die anderen müssten mit keinem oder nur einem sehr geringen Entdeckungsrisiko rechnen und kämen quasi unbesteuert davon.

Ob ein solches „strukturellen Vollzugsdefizit“ bei Krypto-Gewinnen zurzeit vorliegt, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden. Die Judikative, hier das Finanzgericht Baden-Württemberg, hat auf seiner Homepage jedoch bereits am 16.6.2018 ein Urteil vom 2.3.2018 (5 K 2508/17) veröffentlicht, worin es äußert, dass die Besteuerung von Krypto-Gewinnen aus diesem Grunde verfassungswidrig sein könnte. Die Revision ist unter dem Aktenzeichen IX R 10/2018 beim Bundesfinanzhof, der nächsten und letzten Instanz im Finanzgerichtsweg, anhängig.
Es bleibt spannend. Zur Vertiefung siehe auch: Schroen, NWB Nr. 28 vom 05.07.2019, Seite 2084 – 2090, „Besteuerung von „Bitcoin & Co.“ verfassungswidrig?“

Pflichten bei der Besteuerung von Bitcoin

Egal, ob es sich bei Kryptowährungs-Coins/-Token um Wirtschaftsgüter handelt oder nicht und/oder ob die Besteuerung ggf. verfassungswidrig sein könnte, es gilt:

Wer eine gewinnbringende Veräußerung von Cryptocurrency-Coins/-Token innerhalb von 12 Monaten nach Anschaffung erzielt hat, muss diese dem Finanzamt gegenüber vollständig erklären. Die außerhalb der 12-Monatsfrist liegenden Veräußerungen müssen nicht erklärt werden. In jedem Fall sollte aber rechtzeitig dafür gesorgt werden, dass die daraufhin ergehenden Steuerbescheide nicht endgültig werden, also jederzeit änderbar bleiben.

Insbesondere soll mit diesem Artikel niemand ermuntert werden, seine Cryptocurrency-Coins/-Token innerhalb der 12-Monatsfrist im Vertrauen darauf zu veräußern, dass die Gewinne hieraus nicht zu versteuern seien!

Da die Gesetzeslage noch unklar ist, und sich auch erst ein Finanzgericht vage geäußert hat, müssen sämtliche steuerlichen Artikel (leider) im Konjunktiv gehalten sein.

Daran ändert sich auch nichts, nachdem das hierzu angekündigte BMF-Schreibens erschienen sein wird, da wir daraus  auch wiederum nur die aktuelle Meinung der Exekutive erfahren werden.

Chancen

Wer eine obrigkeitskonforme Besteuerung seiner vollständig erklärten Krypto-Geschäfte hinnehmen möchte, akzeptiert einfach seinen Steuerbescheid und hat dafür Ruhe.

Möchte sich jemand allerdings die ggf. vorliegende Möglichkeit offen halten, nicht zu Unrecht Steuern zu zahlen, muss einen unruhigeren Weg beschreiten. Er kann sich mit seinem Steuerberater besprechen. Dieser kann dann prüfen, ob er sich darauf berufen soll, dass Kryptowährungs-Coins/-Token bzw. Bitcoin keine Wirtschaftsgüter sind und/oder dass ein strukturelles Vollzugsdefizit vorliege (o.g. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg). Vielleicht gibt es ja auch noch weitere Einspruchsgründe.

Fazit zur Bitcoin-Steuer

Wer sich deutsches Steuerrecht verständlich machen konnte, dem wird es auch möglich und zumutbar sein, sich die virtuelle Welt der Kryptowährungen und der Blockchain-Technologie zu erschließen; soweit es zur Klärung des steuerlichen Tatbestandes erforderlich ist.

Die Besteuerung dieser neuen virtuellen Vorgänge bedarf einer kontroversen Diskussion, wozu ich mit meinen beiden Artikeln (s.o.) einladen will. Denn wie so oft, könnte es auch hier der Fall sein, dass die erste Lösung nicht die letzte ist. Alle Seiten könnten gemeinsam versuchen herauszuarbeiten, welche Kriterien und Aspekte für den anderen jeweils relevant sind und weshalb sie dies sind.

Woran es zurzeit noch manchmal mangelt, ist die Bereitschaft, hier „intellektuelle Empathie“ zu praktizieren, also die neue virtuelle Welt als Herausforderung neben der alten von Sinneserfahrungen geleiteten Welt zu erleben und als etwas Neues zu akzeptieren und ggf. neue Wege zu gehen.

Aus einer konstruktiven Diskussion können alle Interessierten lernen, selbstverständlich auch ich.

Sämtliche in diesem Artikel in männlicher Form verwendeten Begriffe sind, soweit denkbar, auch als genderneutral formuliert zu verstehen.

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