Hoffnungen vs Statistik Bitcoin in einem halben Jahr bei 26.000 US-Dollar?!

Der Bitcoin-Kurs stieg am 28. Januar über den gleitenden Mittelwert der letzten 200 Tage. Gemäß Tom Lee von Fundstrat soll nach derartigen Ereignissen der Kurs um knapp 200 Prozent steigen. Kann man jedoch einer derartigen Statistik trauen?

Dr. Philipp Giese
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Vor übertriebenen Mondprognosen wird gewarnt

Beitragsbild: Shutterstock

Keine Frage: Mit dem neuen Jahr kamen auch wieder die Bullen in den Krypto-Markt. Der Bitcoin-Kurs konnte seit Neujahr satte 34 Prozent ansteigen. Kein Wunder also, dass sich Investoren im Krypto-Ökosystem wieder in bullishen Prognosen überschlagen.

Jüngst hat Tom Lee, seines Zeichens Head of Research bei Fundstrat, auf ein durchaus bullishes Ereignis hingewiesen. Im angesprochenen Bull Run konnte der Bitcoin-Kurs den gleitenden Mittelwert der letzten 200 Tage (kurz MA200) überwinden. Keine Frage: Derartige Ereignisse gelten gemeinhin, ähnlich wie der gleitende Mittelwert der letzten 140 Tage, als bullishes Zeichen.

Doch Tom Lee lehnt sich noch etwas mehr aus dem Fenster. Seiner Analysen zufolge stieg der Bitcoin-Kurs, immer wenn er über den genannten Mittelwert stieg, innerhalb des nächsten halben Jahres um „im Mittel 197 Prozent“.

Nach dieser Aussage würde der Bitcoin-Kurs Ende August bei rund 26.000 US-Dollar liegen und das alte Allzeithoch weit hinter sich lassen.

So wohlig derartige Aussagen für den Langzeithodler auch sind, stellt sich doch die Frage, wie fundiert Tom Lees Kursprognose tatsächlich ist. Schließlich wird eine hohe Genauigkeit suggeriert; der Kurs soll um 197 Prozent und nicht um rund 200 Prozent stiegen. Gehen wir also gemeinsam der Sache auf den Grund:

Bitcoin-Kurs über MA200 – (k)ein alltägliches Ereignis

Wann hat denn der Bitcoin-Kurs diese magische Grenze nach oben hin überschritten? Schaut man auf die Datenlage, war das nicht so häufig:

Wie häufig der Bitcoin-Kurs den MA200 überschritten hat Konkret konnte der Bitcoin-Kurs 26 Mal über den MA200 steigen. Berücksichtigt man noch, dass der Kurs teilweise nicht direkt beim ersten Versuch langfristig über den MA200 steigen konnte (wie Anfang 2012 oder Mitte 2014), bleiben davon 11 Ereignisse übrig. Auf dieser Basis eine Statistik zu entwickeln ist, gelinde gesagt, gewagt.

Ebenso fragwürdig ist, ob ein einfaches Betrachten einer mittleren Kursentwicklung bei Bitcoin wirklich so sinnvoll ist. Wie vor einiger Zeit diskutiert, sehen verschiedene Analysten die Wachstumsrate Bitcoins durchaus sinken. Ist also ein kometenhafter Anstieg irgendwann in der Vergangenheit ein Garant dafür, dass ein entsprechender Anstieg heute wieder geschehen kann?

Die Frage lässt sich beantworten: Schauen wir uns die Kursgewinne nach jedem Steigen über den MA200 an, sehen wir, dass tatsächlich das halbe Jahr danach größtenteils Gewinne bescherte. Aber die „197 Prozent“ sind auch dann eher fragwürdig:

Gewinne nach Ansteigen über den MA200 Bis auf zwei fulminante Anstiege im Jahr 2013 lagen die anderen Performances bei unter 200 Prozent – und waren auch stark gestreut. Leider weiß man nicht, auf welche Daten sich Tom Lee konkret bezogen hat. Auf rund 200 Prozent erwartete Kursanstiege kommt man jedoch, wenn man nur die positiven Kursentwicklungen berücksichtigt.

Schließlich vergisst Tom Lee, die Unsicherheiten zu erwähnen. Die Standardabweichung ist nämlich größer als der angegebene Mittelwert.

Vorsicht bei gewagten Krypto-Prognosen

Um den Artikel etwas versöhnlich abzuschließen: Es geht nicht um eine Generalkritik an Tom Lee. Was er bezüglich Halving oder auch dem Einfluss der geopolitischen Lage auf den Bitcoin-Kurs sagt, ist nicht aus der Luft gegriffen. Ebenso ist auch in anderen Märkten jenseits der Kryptowährungen der MA200 eine wichtige Linie, um einen Bullen- von einem Bärenmarkt zu unterscheiden.

Jedoch sollten sich Anleger von derartigen Zahlen nicht zu sehr blenden lassen. Wie bei so vielen Themen im Krypto-Ökosystem gilt auch hier do your own research. Anleger sollten kühne Prognosen nicht sofort verdammen, aber kritisch hinterfragen. Mit R oder TradingView, um nur zwei Tools zu nennen, hat jeder Investor genügend Handwerkszeug, um sich besonnen und aufgeklärt bei etwaigen Kursprognosen zu verhalten.

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