Bullshit Bingo Bullishe Bitcoin-Analysen erreichen neues Alltime High

Eines der großen Hobbies von Krypto-Analysten sind Einschätzungen über die Bitcoin-Kursentwicklung. Aktuell fallen diese gerne ultrabullish aus. Über den Unterschied zwischen Analysen und Hopium und das Ringen um gehaltvolle Analysen.

Dr. Philipp Giese
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Zwei umgeippte gläser Brei auf einem kleinen Babytisch, Symbol für Bitcoin-Analysen

Beitragsbild: Shutterstock

Ein Kommentar von Dr. Philipp Giese

„Analyst: Bitcoin-Rallye im Anmarsch“, „Analysten sind überzeugt: Bitcoin wird stark steigen“, „Bitcoin gemäß Top-Analysten vor Breakout“ – die Menge derartiger Schlagzeilen steigt gerade so inflationär wie die Geldmenge des US-Dollars. Gerade aktuell vor dem Halving nimmt das mal wieder zu und erschwert das Durchforsten des virtuellen Blätterwalds nach gehaltvollen Artikeln.

Sicher: „Analyst ätzt über Analysen“ ist auch irgendwie ein Oxymoron. Mir geht es auch nicht darum, andere Analysten oder Magazine schlecht zu reden. Ginge es nach mir, einem ziemlichen Zahlennerd, würde ich liebend gerne mehr gehaltvolle Analysen lesen. Ebenso gerne schreibe ich Analysen, wie der geneigte Leser hier auf BTC-ECHO sicherlich gemerkt hat.

Das Problem ist leider allzu häufig, dass bis auf eine bullishe Überschrift derartige Analysen nicht viel mehr bieten. Zugegeben, sie bieten Hoffnung. Hopium ist vielen in der Bitcoin-Szene ein Dorn im Auge, so dass so mancher Bitcoiner über die x-te ultrabullishe Preisprognose verständlicherweise die Augen verdreht. Gegen Hoffnung ist nichts zu sagen, aber Ansagen wie die klassische Wette von John McAfee oder „dies ist as letzte Mal, dass wir den Bitcoin-Kurs unter xxxyyy US-Dollar sahen“ sind was anderes. Sie versuchen, sich auf Basis einer aktuellen Marktstimmung zu positionieren und sind entsprechend keine Analysten.

Reißerische Analysen: Schlecht für Reputation von Bitcoin

Ich habe jedoch ein grundlegenderes Problem mit derartigen Analysen. „Analyst sagt XY“ erinnert den Physiker in mir doch zu sehr an diese reißerischen, pseudowissenschaftlichen Überschriften, die dann gerne mit „Science says“ oder ähnlichem abschließen. Vor einigen Jahren gab es eine Schwemme derartiger Artikel: Sie verkündeten, was angeblich „die Wissenschaft“ sagt. So soll dann „die Wissenschaft“ beispielsweise sagen, dass das Universum gar nicht existieren sollte. Oder wie Jesus aussah. Beides war – natürlich – inkorrekt und unvollständig dargestellt.

Für mich sind derartige Artikel von „Experten“ ärgerlich, weil sie in der Öffentlichkeit ein falsches Bild von Wissenschaft zeichnen. Die Gefahr, ist, dass so auch gute Forschung in der öffentlichen Wahrnehmung falsch wahrgenommen wird. Slogans wie „I believe in SCIENCE“ oder „I fuckin live Science“ vergessen ein wichtiges Wort, nämlich das Wort good. Ein guter Wissenschaftler glaubt nicht an Wissenschaft, sondern an den Wert guter, fundierter Forschung. Einfach nur an Wissenschaft glauben weil Wissenschaft drauf steht ist kein Zeichen von kritischem Denken, sondern eher das Gegenteil. Ebenso ist das begeisterte Sharen einer neuen „Bitcoin bald bei 100 Millionen US-Dollar sagt Zeitreisender“-Überschrift keine solide Analyse des Wertversprechens von Bitcoin.

Gute Analysen: Ruhig und fundiert

Wie sollten nun Analysten (oder jene, die die Meinungen wiedergeben) das Problem lösen? Auch hier kann man sich am Beispiel des Wissenschaftsjournalismus orientieren. Gute Artikel über Wissenschaft sind ruhig, möglichst nicht reißerisch, versuchen, die Thematik dem Laien verständlich zu machen und verweisen auf Primärquellen.

Im Bereich der Wissenschaftstheorie gibt es ein Konzept, welches hier helfen kann, die Spreu vom Weizen zu trennen. Falsifikationismus, eine Denkschule von Sir Karl Raimund Popper, sagt, dass eine gute wissenschaftliche Theorie falsifizierbar oder auf gut deutsch anfechtbar sein soll. Es muss also möglich sein, eine Gegenthese zu formulieren. „Der Kurs kann hoch- oder auch runtergehen“ wäre dann beispielsweise keine derartige These, „Hohes Transaktionsvolumen geht einer Kursrallye voraus“ schon eher.

Gute Analysen sollten entsprechend auch anfechtbar sein. Im Krypto-Bereich ist das sogar sehr gut möglich, kann man doch auf allen zugängliche Daten verweisen. Seiten wie IntoTheBlock, Santiment, TradingView oder Coinmetrics helfen dabei, die Analysen nachzuvollziehen und zu eigenen Schlüssen zu gelangen.

Schließlich macht auch bei Analysen der Ton die Musik. Reißerische Aussagen über das Verwetten der eigenen Kronjuwelen, das einfache Zitieren von Memes Marke „number go up“ oder der Verweis auf einen angeblichen Zeitreisenden sind eben keine Zeichen für sachliche Analysen.

Natürlich kann jeder seine Meinung zum morgigen Bitcoin-Kurs haben. Wir sammeln derartige Meinungen ja auch in unserem Meinungs-ECHO. Doch sollte man Meinungen als solche auch bezeichnen.

Letztlich ist das Ziel einer guten Analyse, den Leser zur eigenen Analyse zu bringen – ähnlich wie ein guter wissenschaftlicher Artikel den Leser zum Lesen anregen soll. Oder kurz und (nun doch) reißerisch: Be your own analyst.

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