Die EZB wettert gegen den Krypto-Space Bitcoin-Kritik: Ist die Europäische Zentralbank zu weit gegangen?

Dass die Europäische Zentralbank kein Anhänger von Bitcoin ist, ist hinlänglich bekannt. Allerdings wirft ein Bitcoin-kritischer Gastbeitrag auf dem EZB Blog Fragen über die Professionalität der europäischen Institution auf.

Sven Wagenknecht
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EZB vs. Bitcoin

Beitragsbild: Shutterstock

| Zwischen der EZB und Bitcoin herrscht ein tiefer Graben.

Am 21. November erschien im Handelsblatt ein sehr kritischer Gastkommentar zu Bitcoin. Der Autor ist niemand geringeres als EZB-Generaldirektor Ulrich Bindseil sowie der EZB-Berater Jürgen Schaaf. Neun Tage später wurde der besagte Gastkommentar noch einmal von der Europäischen Zentralbank ins Englische übersetzt und auf dem eigenen Blog veröffentlicht. Zwar weist die EZB auf ihrem Blog darauf hin, dass es sich lediglich um die private Meinung der Autoren handelt, dennoch hat der Beitrag einen herben Beigeschmack und wirft Fragen über die Professionalität der Zentralbank auf. Zumal er über den offiziellen EZB-Twitter-Account als Einordnung weiterempfohlen wurde.

Europäische Zentralbank: Zur Abwechslung mal lautstark

Es ist allgemein bekannt, dass Notenbanken – vollkommen zu Recht – strenge Kommunikationsstandards haben. Jedes falsch gewählte Wort, jede unscharfe Formulierung kann zu ungewollten Marktbewegungen führen. Im Gegensatz zum Handelsblatt oder zu BTC-ECHO muss die EZB entsprechend vorsichtig mit meinungsstarken Äußerungen sein.

Sachliche Formulierungen, die nach strengen akademischen Standards geschrieben sind, müsste man als selbstverständlich annehmen können. Mit dem Titel des Gastbeitrages „Bitcoins last stand“ auf dem EZB-Blog fühlt man sich allerdings eher an SEO-optimierte Youtube-Videos von Crash-Prophet Dirk Müller erinnert. Persönliche Meinung hin oder her: Die Ansichten des EZB-Generaldirektors und seines Co-Autors werden in ihrer Darreichungs- und Distributionsform zu einem Statement der europäischen Institution, wenn auch geschickt durch die Hintertür.

Der Eindruck einer inoffiziellen Anti-Bitcoin-Kampagne der EZB wird durch den Twitter-Post von Fabio Panetta, einem Direktoriumsmitglied der Notenbank, verstärkt. Dieser hatte am 7. Dezember Kryptowährungen ebenfalls als gefährliche Blase eingeordnet.

EZB: Freifahrtschein für negative Bitcoin-Kursprognosen

Bitcoin-Kursprognosen zählen ausdrücklich nicht zum Stellenprofil eines EZB-Angestellten. Dies hält die Autoren Bindseil und Schaaf allerdings nicht davon ab, etwaige Kursverläufe zu skizzieren beziehungsweise mit hellseherischen Fähigkeiten zu imponieren. Nach anfänglicher Beschreibung der BTC-Kursentwicklung resümiert man:

“Dabei war schon vorher zu erkennen, dass es eher ein letztes Aufbäumen auf dem Weg in die Irrelevanz war.”

Später ergänzt man dann noch, dass zwar kurzfristige Gewinne möglich sind, um dann aber darauf hinzuweisen, dass Verluste durch Bitcoin-Investments unausweichlich sind. Die Entwicklung eines Vermögenswertes, ganz gleich, ob Aktie, Anleihe oder Kryptowährung, mit definitiver Gewissheit voraussagen zu können, ist anmaßend. Ein weiterer Disclaimer, dass es sich nicht um eine Anlageberatung handelt, wäre angebracht gewesen.

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Eine Absage an Verbraucherschutz und Investorenrechte

Dass es diesen Disclaimer nicht gab, könnte allerdings daran liegen, dass die Autoren Bitcoin und Kryptowährungen ihre Funktion als Anlageform und Zahlungssystem abstreiten. So heißt es im Gastartikel:

“Da Bitcoin weder als Zahlungssystem noch als Anlageform geeignet erscheint, sollte er regulatorisch auch als keines von beiden behandelt – und damit legitimiert werden.”

Mit dieser Aussage ignoriert man nicht nur die gelebte Realität, sondern auch hunderte Millionen von Menschen, die eine gänzlich andere Auffassung haben. Auch ignoriert man den Verbraucher- sowie Investorenschutz, der unter anderem durch die MiCA-Regulierung in der EU einen wichtigen rechtlichen Rahmen schafft.

Hier zeigt sich eine moralische Überheblichkeit, seine subjektive Auffassung als objektive Fakten darzustellen. Dass Geld eine soziale Konstruktion ist, die nicht nach naturwissenschaftlicher Falsifizierbarkeit funktioniert, blendet man schlichtweg aus. Man verlässt den akademischen Pfad, um politisch Stimmung zu machen. Dabei schrecken die Autoren auch nicht davor zurück, wilde und sehr vage gehaltene Behauptungen in den Raum zu stellen.

Stammtischparole: Bitcoin ist nur für Kriminelle

Eine solche Behauptung ist, dass Bitcoin überwiegend für kriminelle Transaktionen genutzt wird. Diese Aussage ist ungefähr so richtig wie die Behauptung, dass Bargeld oder Gold überwiegend für kriminelle Transaktionen genutzt werden. Während man allerdings Bargeld und Gold nur schwer zurückverfolgen kann, gibt es kein schlechteres Zahlungsmittel für kriminelle Transaktionen als Bitcoin. Verfolgungsbehörden und Analyseunternehmen wie Chainalysis sind sehr gut in der Lage, den Ursprung der Kryptowährung zurückzuverfolgen. Nur dumme Kriminelle nutzen Bitcoin.

Ratespiel: Was ist der gesellschaftliche Nutzen von Gold?

Eine weitere fadenscheinige Behauptung der Autoren ist, dass Bitcoin keinen Nutzen hat, während beispielsweise Gold einen gesellschaftlichen Nutzen stiftet. Hier fragt man sich, was der gesellschaftliche Nutzen von Gold in den Augen der Autoren sein soll. Goldene Rolex-Uhrenmodelle zur Geldwäsche für die Unterwelt? Oder Arbeitsplätze für Menschen aus Schwellenländern bei Goldfördergesellschaften, die Menschen und Natur ausbeuten?

Stattdessen hätten die Autoren auch die Knappheit von Gold und seine damit einhergehende Funktion als Wertspeicher aufführen können. Allerdings hätte man dann gleichzeitig auch ein Argument für Bitcoin geliefert, das durch seine Knappheit ähnliche Wertspeichereigenschaften mitbringt wie Gold. Dieser Grund dürfte auch eher erklären, warum Notenbanken Gold auf ihrer Bilanz halten – der gesellschaftliche Nutzen dürfte es jedenfalls nicht sein.

Finger Weg von Bitcoin

Eine weitere Anmaßung schaffen die Autoren mit der Empfehlung, dass Banken und Vermögensverwalter die Finger von Kryptowährungen lassen sollten. Die Realität sieht zum Glück so aus, dass die erfolgreichsten Akteure der Finanzbranche überdurchschnittlich stark im Kryptosektor aktiv sind. Sei es die größte Wagniskapitalfirma Sequoia Capital, die größte Investmentbank J.P. Morgan oder der größte Vermögensverwalter der Welt: Sie alle haben Projekte oder Beteiligungen im Kryptosektor.

Sich nun als EZB-Vertreter hinzustellen und diese Krypto-Investments als Fehler darzustellen, ist, wie der gesamte Gastkommentar, anmaßend. Aus dem Frankfurter Elfenbeinturm heraus zu meinen, besser als MIT- oder Harvard-Absolventen aus dem Silicon Valley oder der Wall Street über die Krypto-Ökonomie Bescheid zu wissen, zeugt von mangelnder Demut und Bescheidenheit.

Leseempfehlungen aus Harvard

Anstatt mit Stammtischparolen Stimmung zu machen, wäre es vonseiten der EZB angemessener mit wissenschaftlichen Papern zu Bitcoin und Co. den Diskurs zu bereichern. Kritische Ergebnisse sind dabei höchst willkommen. Schließlich handelt es sich bei Kryptowährungen um einen noch sehr jungen Sektor, der mit vielen Problemen zu kämpfen hat. Ein guter Start für diese Form der Auseinandersetzung wäre das neu erschiene Paper der Harvard Universität: „Hedging Sanction Risk: Cryptocurrency in Central Bank Reserves“. Eine angenehme Lektüre, liebe EZB.

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